Die Informationen zum Leben in der mittelalterlichen Stadt, die direkt Hildesheim betreffen stammen von der Webseite:
http://www.hildesheimer-geschichte.de/

die bürgerliche Obrigkeit:

Lutterung

Mit der Verfassungsreform von 1460 wird nun ein kompliziertes System eines gegenseitigen Prüfverfahrens, der „Lutterung“ (läutern, überprüfen) errichtet. Dieses soll die Unabhängigkeit der Ratsmitglieder garantieren.  

12 Olderleute aus der Meinheit, den Ämtern und Innungen mußten jährlich die  Vierundzwanziger „luttern“, die wiederum den nach wie vor dreigeteilten Rat „luttern“ und wählen .   

 

Oldermänner

Der Oldermann war eine Bürgervertretung, die aus Wahlen der Bäuerschaften, Zünfte und Gilden hervorgegangen ist. Ursprünglich war er zur Kontrolle der beiden städtischen Kollegien, dem Rat und dem Vierundzwanziger, ins Leben gerufen worden. Die zum Oldermann gewählten Gildemitglieder waren durchwegs auch Vorsteher (Vorsitzende) der Gilde.

Stadtrat (1236-1536)

„Im Jahre 1236 erschien die erste Erwähnung eines „Konsuln“ in Hildesheim. Der dem italienischen Entnommene Name bezeichnet die erste Selbstverwaltungskörperschaft der Stadt

Um 1250 besteht der Rat aus 36 Personen (Konsuln) von denen aber nur ein Ausschuß von 12 Ratsherren die täglichen Geschäfte führt. Die übrigen 24 werden wohl lediglich bei wichtigen Angelegenheiten zugezogen oder mit besonderen Aufträgen betraut. Dieser Gesamtrat zerfällt mithin bereits in jene drei Abteilungen, für die seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts die Bezeichnung als „sitzender“, „Vor-„ und „Nachrat“ belegt sind, je nachdem die Herren ihren Dienst im laufenden Jahr versehen, ihr eigentliches Amtsjahr soeben hinter sich oder wieder vor sich haben. In jedem vierten Jahr zeigt sich also der engere Geschäftsausschuß im Wesentlichen in der gleichen Zusammensetzung.

Ein bestimmtes Verfahren für die sich jährlich kurz nach Martini (11.11.) vollziehende Ratserneuerung ist dabei nicht erkennbar, und wenn man nach Prüfung der Urkunden vermuten möchte, daß gegen Ende des Jahrhunderts vielfach versucht wurde, ein Drittel oder ein Viertel der Ratsherren regelmäßig durch andere zu ersetzen, so drang der Brauch in jedem Fall nicht durch.

Ausgenommen tüchtige oder besonders ehrgeizige Ratsherren hielten sich im Rat vielmehr schon jetzt sehr lange und bei gewissen reichbegüterten Familien läßt sich zudem verfolgen, daß sie dauernd eines wenn nicht mehrere ihrer Mitglieder in den Rat abordnen.

Zur Überprüfung des Stadthaushaltes werden um 1300 nun neben dem bestehenden Stadtrat zwei Finanzmänner eingesetzt, die neben einem „Kämmerer“ als oberstem Kassenführer, die Aufsicht über die Stadtgelder haben sollten. Alljährlich am Martinitag (11.11.) waren sie neu zu wählen und mußten während ihrer Amtszeit zweimal mit dem Rat abrechnen.

Von diesen beiden Stadtbeamten sollte einer von den Ämtern (Innungen) und ein zweiter ein Handwerksmeister sein. Auch die Wahl in den Stadtrat steht nun diesen beiden Amtsinhabern offen. Jedoch wird dieses Zugeständnis den Gerbern, Schustern, Kochenhauern und Bäckern in dem neuen Stadtrecht von 1300 nicht versiegelt, also nicht gesetzlich verordnet. Im Falle jedoch, daß sie Ratsherren werden würden, ist in der Verordnung festgehalten, daß ihre Rats- den Innungspflichten vorzugehen hätten.

Grundsätzlich zum mindesten endet somit mit dem Jahre 1300 auch die Alleinherrschaft des Hildesheimer Patriziates.

Jedoch ist schwer nachzuweisen, daß ein Innungsvertreter in den Rat gewählt wurde. Im Jahre 1317 hat erstmals ein Bäcker, vielleicht auch im gleichen Jahr ein Knochenhauer, es geschafft Ratsherr zu werden.

Neue Namen im Rat kommen offenbar durch zugezogene Sippen, die durch Verschwägerung mit alten Ratsgeschlechtern einen Sitz im Rat errangen.

Zwischen 1240 und 1346 sind ca. 107 verschiedene Sippen im Stadtrat anzutreffen. Das heißt, daß in dieser Zeit von 20 Hildesheimer Familien je eine es in den Rat geschafft hat.

Im Jahre 1343 wird ein von den Innungen und der „Meinheit“ gewähltes Aufsichtsgremium , dem „Sechsen“, dem Rat übergeordnet.

Am 11.12.1345 tritt wieder ein 36er-Rat der Stadt vor, von denen auch jetzt ein Drittel als „sitzender“ Rat die laufenden Geschäfte führt. Aber von dem „alten Rat oder ihresgleichen“, den herrschenden Stadtgeschlechtern, treten nur noch 12 Ratsherren in das neue Kollegium ein und je 12 andere wählten die „Sechse“ aus den Ämtern und der „Meinheit“.

Alljährlich, und zwar jeweils am 7. Januar, erfolgt die Neubesetzung des regierenden Rates durch die beiden „Nachräten“.

Untüchtige und ungeeignete Mitglieder sollen sie, ohne daß deren Ehre damit geschmälert wird, aus dem regierenden Rat ausschließen und durch „den besten und nützlichsten, den sie in Hildesheim wissen“ ersetzen.

An die Spitze jedes der drei Räte tritt nun ein neuer städtischer Beamter, der Bürgermeister. Aus welchen Gründen dieses neue Amt geschaffen wurde ist unbekannt. Offensichtlich aber entsprang seine Einrichtung einem allgemein empfundenes Bedürfnis in den Städten, das, ähnlich wie 1236, es gleichzeitig in den Gemeinden auftrat.

Besondere Befugnisse hatte der Bürgermeister jedoch nicht. Vielmehr sollte er , bei den ständig wachsenden Geschäftskreis des Rates, die Leitung der Sitzungen übernehmen, um eine gewisse Ordnung einhalten zu können, minder wichtige Fragen selbst zu entscheiden, die Tagesordnung der Sitzungen vorzubereiten und für die ordentliche Durchführung der Ratsbeschlüsse zu sorgen. Nur ein nicht eben bedeutendes Recht wurde ihm zugebilligt: er hatte für den Fall, daß ein Ratsherr während seines Amtsjahres starb, mitsamt drei Herren aller Räte ohne Ansehen der Person einen Ersatzmann zu bestellen.
Im Zuge des Abkommens vom 21.11.1435 wird durch Einsetzung eines „Vierziger-Kolleg“ die erste Hildesheimer Bürgerschaftsvertretung neben dem Rat eingesetzt. Die Hälfte ihrer Mitglieder hatte die „Meinheit“ zu stellen, während je zehn weitere Sitze einerseits den älteren Ämtern (Innungen), andererseits den „Gilden“ der Gewandschneider, Kramer, Schmiede, Schneider, Kürschner und Wollenwebern vorbehalten blieben. Die Auswahl dieser Männer stand fürs erste Mal dem Rat zu; bei späteren Ersatzwahlen jedoch bedurfte lag es in der Hand des „Vierziger“-Kolleg den zu ersetzenden Sitz mit einer Person aus der Gruppe zu besetzen, die ihn verloren hatte.
Dieses Gremium wurde bei Klärungen über Fehden, Erlaß neuer Stadtgesetze, bei Münzschlag, Bündisabschlüssen, Mühlenaufsicht, Verteidigung der Stadtrechte und Ausfertigungen von städtischen Schuldvertreibungen angehört und durften beim Rat auch selbst Anträge einreichen. Diese Körperschaft trat jedoch nur zusammen, wenn der Rat ihn einberief. (er endete jedoch schon am 30.1.1436)
Zum 30.1.1436 verschwindet das „Vierziger“-Kolleg in der Versenkung. Statt dessen sucht der Rat eine stärkere Bindung an den Gemeindewillen zu erreichen. Die Vertreter der Innungen und der Bürgerschaft innerhalb des Rates werden angewiesen, in wichtigen Fällen nicht ohne vorherige Rücksprache mit ihren Ständen, ihre Stimme in der Ratsversammlung abzugeben. Dazu durften Ämter, Gilden und Gemeinde nunmehr die eigenen Wünsche an ihre Ratsvertreter bringen. Es dauerte nicht lange, das sich die neuen „Achtzehn“ wie eine Körperschaft zusammenschlossen, auf dem Rathaus in dieser oder jener Angelegenheit vorstellig werden und gemeinsam mit den Innungsmeistern auch um ihre Ansicht vor dem Rate angegangen wurde.
Nach dem neuen Rezess vom 31.10.1445 sieht der neue Stadtrat wie folgt aus: Zwölf Männer, je zur Hälfte aus der Gemeinde und den Handwerkerverbänden, wählen einen neuen Rat von 24 Personen, der nicht mehr „von eines Partes wegen“ - also nicht mehr für den alten Rat, die Innungen und die gemeinen Bürger auf das Rathaus gingen - sondern als Vertreter der gesamten Bürgerschaft. Nach dem Beispiel anderer Städte brach man jetzt auch mit der Einrichtung von drei Räten und setzte an ihrer Stelle das System des Doppelrats mit einem sitzenden und einem Nachrat von je 12 Abgeordneten.
Dieser Zwölfer-Ausschuß aber erweiterte sich selbst durch Zuwahl anderer 12 Personen zu dem neuen „Vierundzwanziger-Kolleg“. Dieses Gremium hatte nun die Aufgabe an jedem 7. Januar zusammen mit dem sitzenden Rat die höchste Stadtbehörde für das nächste Jahr neu zu wählen oder wie es hieß zu „luttern“.
Dem „Vierundzwanziger“ selbst blieben dadurch große Freiheiten, da sie ihre eigene „Lutterung“ vornahmen.
Durch die erneute Verfassungsänderung im Dezember 1446 versuchte man es erneut mit dem dreiteiligen Rat von 36 Personen, der 12 Vertretern von der „Meinheit“ und die je 8 vom „alten Rat oder seinesgleichen“, den Ämtern und den 5 Gilden der Kürschner, Wollenweber, Kramer, Schmiede und Schneider umfassen sollte und dessen Wahl und Rechte wieder eingehend geregelt wurden.
Außerdem erfolgte „auf freundliche Bitte“ der Bürger die Einrichtung eines „Oldermanns“ (Vorsteher) von 12 Personen, die offensichtlich an die „Achzehnmann“ von 1536 anknüpfte. Acht Personen aus der „Meinheit“ und 4 vom alten Rat bildeten diesen „Oldermann“, dem Unabsetzbarkeit und freie Selbstergänzung einen starken stand gaben. Er hatte , wie 1536 die „Achzehner“, das Recht, auch die gemeinen Bürger und „Freunde“ zum Ratschlag aufzufordern. Desweiteren nimmt er Klagen aus der Bürgerschaft auf, um sie dem Rat vorzutragen.“

Das Stadtregiment, oder die städtische Führungsschicht rekrutierte sich vorwiegend aus den wohlhabenden Bürgern der Stadt.

Den bischöflichen Ministerialen, dem niederen Adel und den Handelsherren(seßhafte Großkaufleute die das internationale Import und Export Geschäft und den Fernhandel kontrollierten), den führenden Kaufleuten, die allesamt Mitglied in der exklusiven Gewandschneider Gilde waren.

Markenzeichen dieser Kaufleute war zumeist, das sie nicht mehr zu den wandernden und reisenden Kaufleuten zählten, sondern von ihrem Wohnhaus/-Hof aus die Geschäfte führten und ihre Angestellten besaßen, die in ihrem Auftrag zu den Märkten und Messen reisten, oder die Waren transportierten. 

Nur auf den wichtigen Messen, im In und Ausland waren sie noch selbst zu finden, denn dort ging es vorwiegend um die Repräsentation und das knüpfen persönlicher Beziehungen zu den Kunden. 
Auch nutzten sie vermehrt die Schriftlichkeit, das führen der Handelsbücher, die doppelte Buchführung und Korrespondenz mit den ausländischen Geschäftspartnern und Niederlassungen. 
Berechneten die Gewinne und Handelsspannen mit Hilfe von Rechentüchern und -Tischen. 

Ein Kennzeichen dieser städtischen Führungsschicht war auch der Grundbesitz, den sie erwarben, das Geld stammte aus den Gewinnen der Handelsgeschäfte. 
So galt Landbesitz auch bis ins späte Mittelalter und darüberhinaus als ein Zeichen des Wohlstand und Reichtum. 
Im Buch von Karl Josef Uthmann über die Sozialstruktur und Vermögensbildung in Hildesheim können wir erfahren das Hinrik Pepersack 6 Hufen(~45 ha=1688580 m²) Land,2 Meierhöfe, ein Kothof und mehrere Zehnt Abgaben besaß, und im bischöflichen Lehnsverzeichniss aufgeführt gewesen ist, als Lehnsmann.

Flächenmaße

Bis ins 18, Jh. beruhten die Maßzahlen bei Grundstücken nur auf Schätzungen. Es waren Augenmaßgrößen oder sie waren aufgrund der Einsaat-Ernteverhältnisse festgestellt. Die Größe eines Morgens konnte schon innerhalb einer Gemarkung schwanken. Erst im Zuge der Generallandvermessung im Herzogtum Braunschweig wurde ein einheitliches Längen und Flächenmaß eingeführt. Die General-Landvermessungs-Kommission setzte 1755 fest:

 

1 Morgen = 120 Quadratruten

1 Rute = 16 Fuß oder 8 braunschweigische Ellen

 

Erst durch die Maß- und Gewichtsordnung vom 30. März 1837 wurden geeichte Maße im gesamten Herzogtum eingeführt. Sie beruhten auf den in Frankreich bereits eingeführten und dort geeichten Einheitsmaßen, dem Pariser Fuß zu 12 Pariser Linien. Und im Jahre 1869 gab das Braunschweig-Lüneburgische Staatsministerium  bekannt, wie die alten braunschweigischen Maße und Gewichte des Jahres 1837 in das neue System zu überführen sind

 

1 Quadratfuß     =                               =         0,081432 Quadratmeter

1 Quadratrute    =                               =       20,84652   Quadratmeter

1 Feldmorgen   = 120 Quadratruten   =   2501,582       Quadratmeter

1 Waldmorgen  = 160 Quadratruten  =   3335,443       Quadratmeter

1 Himten            = ½ Morgen              =   1250,7699    Quadratmeter

1 Hufe                = 30 Morgen = ca. 7,5 ha = 37524      Quadratmeter

-RZ-
Quelle

Meierrecht
Das Meierrecht war die nordwestdeutsche Form der Grundherrschaft zwischen dem 12. / 13. und dem 19. Jahrhundert. Die Höfe wurden gemäss dem Meierrecht in Klasen eingeteilt.

• Meierhöfe waren die Grössten und meistens auch ältesten Höfe. Diese waren
untereinander aufgeteilt in Vollmeier-, Halbmeier- und sogar Viertelmeierhöfe. Die
Meierhöfe mussten zusätzlich zum Zehnten Spanndienste leisten.

• Kothöfe waren die zweite bäuerliche Hauptklasse. Die Köthner hatten neben den
Abgaben zumeist Handdienste zu leisten . Diese waren unterteilt in Gross-, Mittel- und
Kleinköthner. Die Köthnerstellen bildeten zahlenmässig den Hauptteil der bäuerlichen
Bevölkerung.

• Die sogenannte unterbäuerliche Schicht bildeten die Brinksitzer oder Anbauer, die am
Rande des Dorfes auf kleinen Grundstücken lebten und die Häuslinge, die bei anderen
zur Miete wohnten. Angehörige dieser unterbäuerlichen Schicht waren auf den
Nebenerwerb im Handwerk, Gewerbe oder den Verdienst als Tagelöhner angewiesen.

• Das Gesinde waren diejenigen, die in dauerndem Lohnverhältnis zum Hauseigentümer
standen.

Abgaben / Fron

Spanndienste:
Die Besitzer der Meierhöfe mussten Spanndienste leisten. Spanndienste waren Arbeiten, für die der Besitz eines Gespanns (Pferde) Voraussetzung war, wie etwa die Bestellung des Ackers.

Handdienste:
Die Köthner mussten Handdienste leisten, also z. B. Tätigkeiten auf dem Gutshof.

Zehnt:
Das Land der Bauern war aufgeteilt in Sommer-, Winter- und Brachland. Die Brache wurde nicht bebaut, daher konnten nur zwei Drittel der Fläche Ernte einbringen. Von dieser Ernte wurden 25 % als neue Aussaat zurückbehalten. Von der restlichen Ernte war der Zins oder Zehnt zu leisten. Dieser betrug aber teilweise 20 bis 30 % der Ernte. Dem Bauern blieb nicht einmal die Hälfte des Ertrages zur Sicherung des Lebensunterhalts.

Quelle:http://www.salzhemmendorf.de/geschichte/begriffserklarungen/

Abgaben

an den Landesherren (Herzog) sog Herrschaftsgefälle

Contribution (Steuern); Landschatz(eine Art Grundsteuer); Proviantkorngeld, Vogthafer (für das Pferd des Beamten), Vogtgeld (eine Abgabe für den Gerichtsschutz); Kleiner herrschaftliche Gefälle wie Gänse, Hühner, Eier (sog. Küchentermine). Hand- und Spanndienste (meist zwei Tage die Woche); 4 Tage Burgfesten; Erntebotengeld. Rauchgut: Abgaben aus den Höfen, in denen eine Feuerstelle rauchte.


den Zehntherren

Korn- und Fleischzehten. Der Kornzehnte wird vom Zehntmaler nach der Ernte durch Auszehnten bestimmt. Der Fleischzehnte z.B. jedes zehnte Lamm, eine Gans von einem Haufen, ferner ein Zehnthuhn

den Gutsherren 
jährlicher Meirzins in Form von Getreide, Hühnern und Eiern. und auch sog. Hofzins.

Zu diesen Abgaben an den Landesherren, den Zehntherren und den Gutsherren kommen noch Verpflichtungen an die Kirche, den Pfarrer (z.B. Mistfuhren), den Lehrer und Opfermann, an die Gemeindehirten, Bedemund bei Hochzeiten, Weinkaufgeld beim neunjährigen Wiederbemeiern, Zweitbest beim Tode des Meiers und kleinere Gemeindeumlagen. Auch Kirche und Pfarre sind von den Gemeindegliedern in Bau und Besserung zu erhalten. Auch gehören Wegebau im Dorfe, Instandhalten von Brücken über Bäche hinzu.

-RZ-

Quelle: http://www.heimatpfleger.bsl-ag.de/index.php?id=178

Bornherr ndt. für: „Brunnenherr“

Die von den Nachbarn zu wählende Bornherren leiteten die kleinen Brunnenverbände der Stadt, sorgten für Beseitigungen von Schäden und legten die zum Unterhalt der Brunnen erforderlichen Kosten auf die Mitglieder um.

Brunnen der Stadt

Bis tief ins Mittelalter hinein hatte man sich auch bei uns mit Straßenbrunnen, den sogenannten „Soden“ beholfen, die der Rat aus öffentlichen Mitteln anlegte. Sie bestanden meist aus einem offenen Ziehbrunnen mit Kette und Eimer zum Wasseraufzug und daneben einem Trog.  

Dann aber wurde jedem Brunnen – im 17. Jahrhundert zählte man 72 Brunnen – eine bestimmte Anzahl von Häusern zugeteilt. Deren Bewohner bildeten nun eine Brunnengenossenschaft unter der Leitung eines „Bornherrn“, der für die Instandhaltung der Anlage sorgte und die hierfür benötigten Mitteln auf die Genossenschaftsmitglieder umlegte. Mieter und Hauseigentümer sollten dabei je die Hälfte des auf das Haus entfallenden Betrages zahlen.  

Da nur wenige Brunnen – wie etwa der nach dem Schmuck seines Marienbildes benannte „Marienbrunnen“ an der Treppe der Domschenke – von Quellwasser gespeist wurden, versagten bei Dürre viele dieser „Soden“. Ohnehin gab es einzelne Straßen, wo man kein Wasser gefunden hatte. Dann schöpfte man gewiß das benötigte Wasser aus den stehenden Gewässern unserer Stadtgräben.

Brücheherren

Die „Brücheherren“ waren städtische Beamte die im 16. Jh. für kleinere Straftaten u.ä. die jeweiligen Strafen bestimmten.

Feuerherren

Einer der vielen Ausschüsse im Hildesheimer Rat waren die „Feuerherren“ bzw. das "Feueramt".

Spätestens 1385 erfolgte die Einsetzung dieses Beirates. Ein aus Ratsherren und Bürgern zusammengesetzter Ausschuß übernahm es, mindestens viermal im Jahre in einem sogenannten "Feuerumgang" „Schornsteine, Öfen und Darren“ (Trockeneinrichtung) auf ihre Feuersicherheit zu prüfen, Schäden abzustellen sowie darauf zu achten, daß niemand „ohne guten Schornstein baue“.

In immer ausführlicheren "Feuerordnungen" - die erste erschien 1619 - wurden die Bürger auf ihre Pflichten in Bezug auf den Umgang mit Feuer aufgeklärt.

Doch hatte der Kampf um feuersichere Schornsteine, wie auch um die feste Eindeckung der Häuser noch durch Jahrhunderte fortgesetzt werden müssen.

Burmester

Der Bauermeister, niederdt. Burmester, war der Vorsteher einer Dorfgemeinschaft.  
In der Stadt Hildesheim waren sie innerhalb der 6 Bäuerschaften für die Durchführung der Anordnungen des Stadtrates zuständig.

Luchteherren

Der Hildesheimer Rat unterhielt im Mittelalter in der St. Andreaskirche zwei gewaltige Kerzen, eine von 65 Pfund Gewicht, die andere hatte sogar ein Gewicht von 90 Pfund. Beide standen vor dem Tabernakel der Kirche.

Für den Unterhalt dieser Kerzen, die vom Lüchtenhof bezogen wurden, waren vom Rat bestellte "Lüchteherren", also Lichterherren, zuständig.  

Kämmerer

Den Hildesheimer Bürgern wurde mit dem Stadtrecht von 1300 eine Mitaufsicht über die Stadtfinanzen verbrieft, die bisher vom Rat wohl nicht schlecht, allein doch so verwaltet wurden, daß den kleinen Bürgern der Gedanke aufkommen mußte, ob die „Herren“ nicht besser sparen und manchen auf Staatskosten getriebenen persönlichen Aufwand, als der Vorteils-annahme, der nicht „in den Büchern stand“, vermeiden können.  

So wurden nun zwei Finanzmänner eingesetzt, die neben einem „Kämmerer" als oberstem Kassenführer die Aufsicht über die Stadtgelder haben sollten.  

Alljährlich am Martinitage (11.11.) waren sie neu zu wählen und mußten während ihrer Amtszeit zweimal mit dem Rat abrechnen. Von diesen beiden Stadtbeamten aber sollte der eine nunmehr von den Ämtern sein, und ebenso nimmt unter zwei anderen Männern, denen man die „Vorwerke“ der Gemeinde unterstellt, ein Handwerksmeister seinen Platz ein.

Ratsprediger

Bis 1645 wurde jede Ratstagung, jeweils Montags und Freitags, mit einer kurzen Predigt in der Ratskapelle eingeleitet, die ein bestimmter, von der Stadtverwaltung zum „Ratsprediger“ erkorener Geistlicher der Altstadt abhielt.  

Seit 1645 wurde jedoch nur noch am Freitag eine kurze Predigt gehalten. Aber auch diese Regelung wurde sehr bald weiter dahin Eingeschränkt, daß nur noch am ersten Montag jeden Monats gepredigt wurde.  

Als Ratsprediger bezog der Geistliche 30 Taler.

Riedemeister

Alljährlich wurden in Hildesheim zwei Riedemeister (Rittmeister) gewählt, die als Gesandte der Stadt nach auswärts geschickt wurden und in der Stadt als Gerichtsherren tätig waren.

Weiterhin waren sie Befehlshaber der Stadt-Miliz.

 

Das Wort Riedemeister leiten einige von „Rittmeister“,andere von „Redemeister“ ab. Beide Officia waren in unsern „Riedemeister“ vereinigt. Sie wurden bei den Fehden gebraucht, sie machten den Ritt bei Jagd- und Weidezügen und sie wurde bei Gesandtschaften abhibirt (?)

Wegeherr

Die Straßenverhältnisse im Mittelalter waren selbst bei den großen Heerstraßen schlecht und besonders bei nassem Wetter oft schlecht passierbar.

Nichtsdestoweniger scheint sich der Hildesheimer Rat zum ersten Male 1402 ernstlich mit diesen Nöten befaßt zu haben. Denn seitdem erscheinen zwei Ratsherren, die als Wegeaufseher bestellt wurden, welche seit 1440 „Wegeherren“  heißen.

Das städtische Kornamt

Das Kornamt wurde 1576, aufgrund vermehrter Notzeiten die über die Stadt hereinbrachen, errichtet. Dessen„Kornherren“ hielten regelmäßig beträchtliche Mengen an Brotgetreide auf Lager um in Notzeiten dieses Korn zu „mäßigen“ Preise an die darbende Bevölkerung abzugeben. War keine Notzeit, wurden mit dem eingelagerten Korn kaufmännische Geschäfte betrieben.
Der Betrieb wuchs rasch, sodaß man 1606 ein neues „Kornhaus“ beim Brühltor errichtete. Bestanden hat dieses Amt bis ins 19. Jahrhundert hinein.

 

Münzmeister

Ein Münzmeister (lat. monetarius) war der für die Prägung der Münzen zuständige Leiter bzw.

Verwalter einer Münzprägestätte. Je nach Zeit und Ort waren seine Befugnisse dabei

unterschiedlich.

Der Geldbedarf zur merowingischen Zeit war vergleichsweise sehr gering. Die Münzmeister

stellten in kleinen Werkstätten entweder allein oder unter Mithilfe weniger Mitarbeiter die

Münzen her und verwalteten das Münzmetall. Zur Karolingerzeit fiel die Münzprägung in die

Verantwortung königlicher Beamte.

Im Hochmittelalter trat an deren Stelle die sog. Münzerhausgenossenschaft. Diese setzte sich aus

dem reichen Bürgertum der Städte zusammen, meist Kaufleute, Edelmetallhändler,

Geldwechsler, Goldschmiede u.a. und bestimmte aus ihren Reihen den Münzmeister. Für ihre

Tätigkeit erhielten die Hausgenossen einen Teil des Münzgewinns nebst einigen Privilegien und

Rechten, darunter das Monopol des Gold- und Silberkaufs, Zollfreiheit, Steuerbefreiung und die

Gerichtsbarkeit in Angelegenheiten des Münzwesens. Die Hausgenossenschaft erlebte ihre

Blütezeit im 13. und 14. Jh.

Mit der Übernahme der Münzen durch die Landesherren oder die Städte gingen im

Spätmittelalter die Hausgenossenschaften unter. Die Münzmeister waren fortan selbständige

Unternehmer, die in freien Verträgen mit den Münzherren Gewicht, Feingehalt, Schlagschatz

und Eigenbeteiligung festlegten. Die Münzstätten waren neben den Bergwerken und

Staatswerften die größten Unternehmen ihrer Zeit geworden.

Rezensiert für H-Soz-Kult

„So bezeichneten die Londoner Fernhändler die Hanse als crocodile, weil man ebenso wie bei diesem Tier, dessen Körper zumeist zum Teil unter Wasser ist, auch den vollständigen Körper der Hanse nicht sehen könne.“ (S. 511) Poecks Arbeit über die „Herren der Hanse“ versteht sich vor allem als ein weiterer Beitrag zu der seit Bestehen der Hanse-Forschung diskutierten Frage nach dem „Wesen der Hanse“, und er ist tatsächlich weiterführend.


Bereits im 15. Jahrhundert ging die Hanse selbst der Frage nach, was sie eigentlich sei. Vergeblich wurde nach einer Gründungsurkunde gesucht, die diese Frage beantworten würde. Die Notwendigkeit, sich mit der Organisationsstruktur der Hanse auseinanderzusetzen, wurde im Mittelalter vor allem von außen an die Hanse herangetragen, in der Regel durch Konflikte und sich daraus ergebende Haftungsfragen verursacht. Staatsrechtlich war die Hanse kaum zu definieren. Sie sagte gegenüber dem englischen Kronrat 1469, sie sei „eine Art Bündnis von Städten“, das vor allem zu wirtschaftlichen Zwecken gegründet sei und die Rechtshoheit der Fürsten über ihre Städte nicht infrage stellte.


Die Hanse-Forschung hat lange die Trennung zwischen Kaufmanns- und Städtehanse vorgenommen, um damit zu verdeutlichen, dass nach der Einführung des Hansetags, 1356, auf dem die Delegierten der Hansestädte erschienen, die Städte das Heft des Handelns in die Hand nahmen. In der neueren Forschung wurde dieses Modell durch zum Teil neue methodische Ansätze immer fragwürdiger und gilt inzwischen als ein überwundener Versuch, das Wesen der Hanse zu erklären. Insbesondere verfassungsgeschichtliche Ansätze wie die von Ernst Pitz und prosopraphische Forschungen zu den Handlungsträgern hansischen Handels und hansischer Politik haben in den letzten zwei Jahrzehnten ein neues Bild der Hanse entstehen lassen. Die Hanse war kein mächtiger, über Jahrhunderte existierender Städtebund, sondern eine Organisation von Kaufleuten, die ihre politisch und wirtschaftlich dominierende Stellung in ihren Herkunftsstädten nutzten, um mit dem Rückhalt ihrer Städte ihren – für mittelalterliche Verhältnisse – globalen Handel abzusichern, wovon die Hansestädte in der Regel auch profitierten. Für die Hanse war dabei die „doppelte Dichotomie von handelswirtschaftlicher und politischer Organisation sowie von Kaufleuten und Städten“ kennzeichnend.[1] Als Begriff spielten hierbei die „heren der Hanse“ schon seit längerem eine große Rolle, waren aber „in ihrer verfassungsmäßigen Funktion noch nicht definiert“.[2]


Dieses wesentliche Puzzleteil bei der Suche nach dem „Wesen der Hanse“ liefert nun Poecks Untersuchung über die „Herren der Hanse“. Der E. Pitz zu verdankenden verfassungsrechtlichen Einsicht, dass die Hanse auf zwei Einungen basierte, der Bürgereinung in der Stadt und der Städteeinung in der Hanse[3], fügt Poeck nun mit der Offenlegung der städteübergreifenden, globalen Netzwerke der hansischen Kaufleute die wahrscheinlich ins Zentrum der hansischen Wirklichkeit zielende Erkenntnis hinzu, dass diese von verwandtschaftlichen Beziehungen und wirtschaftlichen Interessen bestimmten Netzwerke einen erheblichen Einfluss auf die Politik der Hanse besaßen, was zwar schon länger geahnt und partiell auch beschrieben, aber bisher noch nicht in dieser überzeugenden Weise und in diesem Umfang erforscht worden ist.

Poeck nimmt die „Herren der Hanse“ zwischen 1356 und 1516 in den Blick. Dabei geht er von zwei wesentlichen Hansetagen mit starker Beteiligung hansischer Delegierter aus, dem Hansetag von 1379 und dem Hansetag von 1418. 1379 versammelten sich 47 Delegierte aus 25 Städten in Lübeck, 1418 52 Delegierte aus 31 Städten. Hinzu kamen drei Vertreter des Hansekontors in Brügge. Im Zentrum der untersuchten Delegierten stehen die Ratsgesandten Lübecks. Allerdings verfolgt Poeck auch über Lübeck ausgreifende Netzwerke, wenn sich dafür Anhaltspunkte finden. Am Ende gelingt es Poeck, 111 Netzwerke und die Verbindungen zwischen diesen offenzulegen. Die ausgesuchten Hansetage zeichnen sich einerseits durch überdurchschnittlich guten Besuch und andererseits durch die Bedeutung der verhandelten Gegenstände aus, die allerdings für die Untersuchung nur am Rande wichtig sind.


Im Anhang werden die Delegierten-Netzwerke in Tabellen nochmals verdeutlicht und eine sehr nützliche Übersicht über die Teilnehmer an Hansetagen zwischen 1356 und 1516 gegeben. Fünf Karten zu den Delegierten, den Netzwerken und zur Mobilität der hansischen Elite, sieben Abbildungen und ein Orts- und Personalregister vervollständigen den stattlichen Band.

Die vielfältigen verwandtschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den hansischen Gesandten, die Poeck aufdeckt, belegen eindrucksvoll, dass bei diesen eine unauflösliche Vermischung zwischen privaten Wirtschaftsinteressen und allgemeinen hansischen auf der einen und städtischen Belangen auf der anderen Seite vorlag. „In den Beratungen und Diskussionen des Hansetages“, so Poeck, „wurden die einzelnen Netzwerke von den Herren der Hanse zum Netzwerk Hanse verbunden“ (S. 511). Ob Poeck allerdings wirklich den Beweis erbracht hat, dass der „Hansetag nicht durch Interessen der Städte sondern durch diejenigen der Delegierten-Netzwerke bestimmt wurde“ (S. 511), muss hinterfragt werden. Denn dazu müsste doch ein wesentlich intensiverer Blick auf die Inhalte der Hansetage, auf die teilweise komplizierte Vorgeschichte der verhandelten Themen und die Beschlussfassung auf dem Hansetag gerichtet werden. Auch die Frage, die aufgrund der Quellenlage wahrscheinlich nicht befriedigend beantwortet werden kann, mit welchen Aufträgen die Gesandten zu den Hansetagen von Seiten ihrer Städte geschickt wurden, müsste ebenso wie die Frage der Wirksamkeit und Akzeptanz der Beschlüsse in den einzelnen Hansestädten behandelt werden. Um hier zu befriedigenden Antworten zu kommen, müssten weit mehr als zwei Hansetage untersucht und der travezentrische Blick verlassen werden.

Diese Anmerkungen schmälern aber nicht den Ertrag dieser Arbeit, sondern sollen vielmehr Anregungen für weiterführende Forschungen geben. Poeck hat mit dieser Untersuchung die Hanseforschung um einen bedeutenden Aspekt erweitert. Auch wenn die Netzwerke der „heren der hanse“ keinen Verfassungsrang besaßen, stellten sie doch eine wesentliche Komponente in dem komplexen und schwer zu fassenden System „Hanse“ dar und müssen bei zukünftigen Untersuchungen über die Hanse stärker als bisher berücksichtigt werden.

Anmerkungen:
[1] Rolf Hammel-Kiesow, Die Hanse, 4., aktual. Aufl., München 2008, S. 10.
[2] Ebd., S. 14.
[3] Ernst Pitz, Bürgereinung und Städteeinung. Studien zur Verfassungsgeschichte der Hansestädte und der deutschen Hanse, Köln u.a. 2001.

Dietrich W. Poeck: Rituale der Ratswahl

        

Gleich drei Kirchen waren im Bordeaux des späten Mittelalters Bühne für das dramatische Ritual der Ratswahl (6): In der städtischen Kirche St. Eloi fand die eigentliche Wahl statt, in der Kathedrale, zu dieser Zeit Sinnbild der englischen Herrschaft in Frankreich, leisteten die Herren den Treueid auf den englischen König, und in St. Seurin schwor der Bürgermeister, das Wohl der Stadt zu fördern (7). Die Neugewählten ließen sich vor der Kathedrale mit Trompetenschall herrschaftlich feiern: Die Symbolkraft des sakralen Gebäudes diente so nicht allein den englischen Königen, sondern auch dem Herrschaftsanspruch des städtischen Rates (8).

Dietrich W. Poecks Untersuchung 'Rituale der Ratswahl' macht in beeindruckender Weise die Dramatik des Geschehens 'Ratswahl' deutlich, eines alteuropäischen Zeremoniells, das die Forschung bislang weitgehend ignoriert hat: [1] In ihr behauptete der städtische Rat immer wieder seine legitime Existenz. Das Ritual kondensierte in sich Vergangenheit und Zukunft, indem es den 'Rat' als dauerhafte Einrichtung - unabhängig vom Wechsel der Personen - symbolisch darstellte: "Die Wandlung des Rates betont jedes Jahr im Blick auf die Zeit die gleichmäßige Wiederkehr, im Wandel der Personen die Ewigkeit"(323). Die Ratswahl ist daher mit der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen memoria vergleichbar, in der mittels Grablegungen und Stiftungen die Präsenz des Toten als Bindeglied zwischen Vergangenheit und Zukunft zur Perpetuierung der von ihm repräsentierten Gruppen- und Amtsbeziehungen gesichert werden sollte. So gelangte Dietrich W. Poeck in seinen wissenschaftlichen Arbeiten von der Frage nach einer spezifisch ratsherrlichen memoria [2] zu der Untersuchung der Ratswahl: In noch notwendigerer Weise als eine Wahlmonarchie war die städtische Ratsherrschaft darauf angewiesen, im Zeremoniell der Neusetzung die Dauerhaftigkeit und Legitimität des Amtes zu repräsentieren. In komplexer Weise dient das Zeremoniell der Ratswahl als Indikator für innere und äußere Machtverhältnisse innerhalb eines städtischen Gemeinwesens.

Dietrich W. Poecks Buch ist die Summe eines reichen Forscherlebens. Es spiegelt die Faszination deutlich wider, die das dramatische Geschehen der Ratswahl auf den Mediävisten ausübt. Die Beispiele sind sowohl geografisch - von London bis Thorn, von Bordeaux bis Reval - als auch systematisch außerordentlich breit gewählt. So kann Poeck deutlich machen, dass sich zwar viele Parallelen in den einzelnen europäischen Beispielen ergeben, diese aber von vielschichtigeren Zusammenhängen als zum Beispiel einzig einem gemeinsamen Stadtrecht abhängen. So stellt er für die Städte Osnabrücker Rechts fest, dass mit der Übernahme des Osnabrücker Stadtrechts nicht zwingend auch eine Übernahme des Wahlzeremoniells erfolgte (79). Gemeinsamkeiten und Unterschiede ergeben sich eher aus strukturellen Gründen, wie aus vergleichbaren Machtverhältnissen innerhalb der Stadt, die eine entsprechende polyzentrische Gestaltung der rituellen Topografie bedingten. Bedauerlich an dem außerordentlich weit gestreuten Spektrum an Beispielen ist nur, dass sich die ausgewählten Fälle zum größten Teil auf den nicht-mediterranen Raum beschränken. Eine Einbeziehung italienischer oder spanischer Städte hätte womöglich noch deutlicher den europäischen Rahmen des Ratswahlzeremoniells unterstrichen und noch stärker den Blick auf strukturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten, die Poeck mehr implizit denn explizit anspricht, gelenkt.

Thematisch ordnet Poeck das vielfältige Material nach den Gesichtspunkten "Zeichen und Zeremoniell", "Orte und Tage", "Der Stuhl" und "Die Bilder". Poeck begründet diese Gliederung mit der Auswahl der Fallbeispiele (5). In "Zeichen und Zeremoniell" umreißt er anhand von Gesamtdarstellungen das dramatische Panorama der Ratswahl, um in den folgenden Teilen einzelne Aspekte der zeitlichen und räumlichen Dimension des Geschehens näher zu verdeutlichen. So zeigt er anschaulich, dass das Einnehmen des Ratsstuhls so eng mit der Ratsmitgliedschaft verbunden war, dass es zum Beispiel in Hamburg Pflicht eines wegen Verstoß gegen seinen Amtseid unehrenhaft entlassenen Ratsmitglieds war, "den stoel" zu "kussen unde nimmermeir in den raet" zu "komen" (172). Die Bedeutung des Ratsgestühls zeigt sich auch in seiner aufwändigen, da mehrere symbolische Ebenen miteinander kombinierenden künstlerischen Gestaltung. Eid und Einnehmen des Sitzes sind häufig miteinander kombinierte Elemente der Visualisierung des Rats und der Ratswahl, wie Poeck im Kapitel "Die Bilder" deutlich macht.

Unter der Überschrift "Die Wandlung" zieht Poeck ein Fazit aus seiner Gesamtschau: Die Ratswahl kann als Maßstab für die Autonomie und Struktur der Stadtgemeinde angesehen werden. Die Legitimation und Unabhängigkeit des Rates kommt deutlich in der räumlichen und zeitlichen Gestaltung des Übergangs von einem nicht ratsässigen Bürger zu einem Ratsmitglied zum Ausdruck. Die wichtige Rolle der sakralen Dimension der stadtherrlichen Legitimität ist laut Poeck auch nach der Reformation ungebrochen: Erst in der Aufklärung sollten Zweifel am Wirken des Heiligen Geistes bei der Konstitution des städtischen Rates laut werden (314-320).

War es Poecks erklärtes Vorhaben, die "Besonderheit" und den "Glanz städtischer Kultur" (322) deutlich werden zu lassen, so ist ihm dies zweifelsohne gelungen. Es ist in der Tat erstaunlich, dass dieses faszinierende Zeremoniell als Forschungsobjekt bis jetzt auf so wenig Interesse gestoßen ist, bietet es doch Gelegenheit, Dauer und Wandel städtischen Selbstverständnisses über Epochen-, Konfessions- und Landesgrenzen hinweg zu untersuchen. Seine Forschungen eröffnen somit ein ideales Feld für eine vergleichende Betrachtung europäischer politischer Kultur.

Dennoch kann sein Buch nur als ein Anfang betrachtet werden, dem alle Meriten, aber auch alle Schwächen eines ersten Schrittes zu Eigen sind: Selbst wenn die untersuchten Fälle jeder für sich genommen aufgrund der abwechslungsreichen Schilderung, die Poeck durch eine Verbindung textueller und visueller Quellen und Beschreibungen erreicht, außerordentlich plastisch vor Augen treten, ergibt sich doch der Eindruck eines nicht unbedingt zwingend einem bestimmten Vorgehen geschuldeten Aneinanderreihens von Beispielen. Vielmehr ist so eine Art Kompendium für verschiedene Ratswahltypen in Europa vom 12. bis zum 18. Jahrhundert entstanden. Dadurch, dass Poeck außerdem ein geschlossenes, idealtypisches Verlaufsmuster der jeweiligen Ratswahl entwirft, indem er aus teilweise sehr unterschiedlichen historischen Situationen stammende Quellen kombiniert, wird auch nicht deutlich, ob und in welchem Zusammenhang die Gestaltung der Ratswahl mit internen Konflikten zu sehen ist. Eine solche Mikroanalyse hätte den Rahmen des Buches gesprengt, hätte aber vermutlich zu komplexeren Ergebnissen geführt als der Aussage, dass "mit der Inszenierung der Wahl [...] die Ordnung der Stadt jedes Jahr wiederhergestellt" (322) wurde. Auch wenn es aufgrund der Beispiele plausibel erscheint, dass es Strukturen langer Dauer wie etwa die Verbindung sakraler mit politischer Legitimation auch über die Reformation hinweg gab, wäre es doch wichtig, danach zu fragen, warum zu einem bestimmten Zeitpunkt die schriftliche Niederlegung der Wahlzeremonien erfolgte, reagierten doch die Räte hier oft auf interne und externe Entwicklungen. Außerdem wären wohl nicht nur die bildlichen Gruppendarstellungen der Räte zu einer Untersuchung des Ratswahlzeremoniells hinzuziehen, sondern auch die Gestaltung der Rathäuser und die Porträts einzelner Ratsmitglieder, die dort vermehrt im 16. Jahrhundert aufgehängt wurden. Eine solche Einbeziehung auch der architektonischen Erfahrbarkeit des Ratswahlzeremoniells müsste sich aber auf funktionale Studien der Rathausbauten stützen, die bislang weitgehend fehlen. [3]

Diese Kritikpunkte betreffen aber Einzelheiten der vorliegenden Studie: Sie verlangen im Grunde genommen Weiterführungen des von Poeck so solide gezimmerten Fundaments.


Anmerkungen:

[1] Als einzige größere monografische Arbeit wäre die Dissertation von Bruno Schlotterose zu nennen: Bruno Schlotterose: Die Ratswahl in den deutschen Städten des Mittelalters, Masch. Phil. Diss. Münster 1953.

[2] Vergleiche zum Beispiel Dietrich W. Poeck: Rat und Memoria, in: Dieter Geuenich / Otto Gerhard Oexle (Hg.): Memoria in der Gesellschaft des Mittelalters (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte; 111), Göttingen 1994, 286-335.

[3] Eine Ausnahme ist hingegen die Dissertation von Matthias Ohm: Das Braunschweiger Altstadtrathaus. Funktion - Baugeschichte - figürlicher Schmuck (= Braunschweiger Werkstücke; Reihe A Bd. 49), Hannover 2002.

Ruth Schilling

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