Reisen war im Mittelalter wohl durchaus nicht ganz unüblich, wobei sich die Wissenschaft bis heute unklar ist, wie viele Leute tatsächlich auf Europas Straßen unterwegs waren und zu welchem Zweck. Insgesamt lässt sich sagen, dass eine Reise und die Erfahrung in der Fremde dem mittelalterlichen durchaus vertraut waren.
Die Motivation eine Reise zu unternehmen ist im Mittelalter ziemlich unterschiedlich zu heute.
Wenn heute alle im Sommer gen Süden strömen, um sich an den Strand zu legen, so ist im Mittelalter gereist worden aus religiösen Gründen.
Aus Gründen der Entspannung hat niemand freiwillig seinen Ort verlassen.
Die Motivation des einfachen Volks ist der Ablass der Sünden gewesen, den man erhalten hat, bei einer Reise nach Santiago de Compostela über den Jakobspfad, eine Reise nach Rom oder noch besser nach Jerusalem.
Manchmal ist eine Reise in die nächste Bischofsstadt schon ein einmaliges Erlebnis gewesen.
In der Bischofsstadt wird gerade die Kathedrale fertiggestellt, die auch eine Heiligenreliquie beherbergt.
Eine weitere Motivation für das Reisen im Mittelalter ist das alte Zünftesystem.
Die Handwerksgesellen haben ihre Stadt verlassen müssen, um sich auf eine zweijährige Wanderschaft zu begeben.
Auf ihrer Wanderschaft sind sind die Handwerker nicht ganz so gefährdet, da allgemein Bekannt ist, das Handwerksgesellen nicht viel in den Taschen haben.
Der Handel mit exotischen Waren hat schon immer einen besonderen Reiz zum Reisen ausgelöst.
Wer es schafft einen Sack schwarzen Pfeffers auf einer gut zwei jährigen Reise nach Hause zu bringen, hat für sich und seine Kinder für den Rest des Lebens ausgesorgt.
Wer reist im 13. Jahrhundert?
Dazu sagt Peyer: "sehr viele [reisen] relativ wenig". Reisende sind:
Inwieweit Bauern reisten, ist eine offene Frage. Generell gilt im 13. Jh. im Gegensatz zu früheren Zeiten: Man reist nicht mehr das ganze Leben, Reisen ist ein seltenes Ereignis, das in bestimmten Lebensphasen eintreten kann. Somit werden die Charaktere vielen Leuten begegnen, die "früher einmal gereist sind".
Motivation zu reisen
Neben den klassischen höfischen Reisen und militärischen Unternehmen, gab es vor allem Pilger, die in der Zahl eine nicht unbedeutende Gruppe waren. Aber auch wirtschaftliche Gründe spornten Leute zum Reisen an - Fernkaufleute trieben Handel in fremden Städten, Handwerksgesellen waren auf Wanderschaft. Hochbezahlte Spezialberufe, wie Bergarbeiter oder Baumeister, waren auch dazu prädestiniert, auf Wanderschaft zu gehen - diese beiden Berufsgruppen bildeten deshalb schon schnell eruopaweite Gruppierungen mit einigermaßen einheitlichen Aufnahme-, Ausbildungs und Arbeitsregelungen. Ähnliches galt jedoch auch bei Geistliche und gebildeten Leuten (z.B. in Universitäten - wobei diese ja auch im geistlichen Stande waren). Diese waren häufiger angehalten, ihren Lebensmittelpunkt zu verlagern, um Forschungen voranzutreiben, zu predigen, zu arbeiten, usw.
Straßen und Wege
Das 12. Jahrhundert musste die Straße gerade zu neu entdecken, war das Wegenetz im frühen Mittelalter doch relativ stark verfallen. Seit dem 13. Jahrhundert wird das Straßennetz wieder ausgebaut, Brücken gebaut und Wege ausgebessert. Dennoch sind die Straßenverhältnisse eher schlecht, es müssen Umwege oder Wartezeiten in Kauf genommen werden, je nach Wetter oder politischer Lage.
Wege folgen zumeist dem topographischen Gegebenheiten, wo dies nicht möglich ist, werden die Straßen zumeist als "böse" empfunden. Dies ist bei zahlreichen Anstiegen oder vielen Gewässern der Fall.
Durch das Gebirge führen Saumwege - Pässe sind relativ zahlreich, die meisten sind jedoch sehr anstrengend und im Winter praktisch unpassierbar. In vielen Fällen ist die Reise dort (wie auch anderenorts) nur mit Hilfe gemieteter Führer möglich (in den Alpen werden diese Maronen genannt).
Bei guten Straßenverhältnissen kann man an einem Tag theoretisch bis zu 60 Kilometer zurücklegen, durchschnittlich sind es jedoch 20-40. In der Stunde schafft ein Fußgänger bei gutem Tempo 6 Kilometer, 4 bei gemächlichem Gang. Mehr als 40 Kilometer sind für den ungeübten eine sehr große Anstrengung (in der Regel wird man beim Reisen eher mit kurzen Etappen beginnen und diese dann steigern).
Gasthäuser befinden sich entlang von Reiserouten ungefähr im Tagesabstand von drei bis fünf Meilen (1 Meile = ca. 7,5km, die Etappen sind also ca. 20-40 km lang).
Flüße und Wasserstraßen
Bequemer und oft schneller als der Landweg sind häufig die Wasserwege. Zwar flossen die Flüsse normalerweise langsamer als heute, doch konnten tagsüber große Entfernungen zurückgelegt werden. Flußreisen waren auch verhältnismäßig ungefährlich, auch wenn es gefährliche Strudel, Brückenpfeiler, Felsen und Stromschnellen gab. Übernachtet wurde an Land (in vielen Fällen befinden sich dann auch Gasthäuser am Flußufer). Flußreisen wurden vor allem dort wahrgenommen, wo der Landweg besonders beschwerlich erschien. Flußaufwärts zu reisen war eher beschwerlich, obwohl es an manchen größeren Strömen Treidelwege am Ufer gab, um Boote wieder flußaufwärts zu ziehen.
Gefahren
Wie gefährlich das Reisen definitiv war, ist deshalb nicht bekannt, weil die Meinungen darüber stark auseinander gehen. Aber die Fälle sind durchaus zahlreich, in denen von Überfällen und anderen Unbillen die Rede ist. Manche Gegenden sind deshalb nicht sicher, weil beispielsweise mächtige Familien dort Fehden austragen, so dass nicht einmal bewaffnete Reisende besonders sicher sind.
Möglichkeiten, das Risiko zu reduzieren, gab es einige: Man konnte ohne Waren oder Wertgegenstände reisen (zumindest ohne augenfällige). Einfache Kleidung verringerte das Risiko, überfallen zu werden. Umwege konnten in Kauf genommen, Gruppen mehrerer Reisenden gebildet werden. Manche Reisende nahmen auf dem Hinweg Kredite auf, die sie auf dem Rückweg zurückzahlten. In vielen Gegenden gab es das "Geleit", welches von Geleitsherren ausgeübt wurden (Inhaber des Geleitrechts, einem zumeist königlichen Privileg). Im Idealfall stellte dieser bewaffnete Begleiter, die die Reisenden beschützten, auch wenn dies in vielen Fällen dem reisenden erhebliche Kosten verursachte - es gibt aber auch Fälle von "Taschengeleit", in denen nur das Geld ohne Gegenleistung eingestrichen wurde...
Zölle und Unkosten
Neben dem gerade angesprochenen Geleitkosten gab es noch weitere Unkosten, die dem Reisenden oft Probleme bereiteten: der Zoll. Theoretisch war die Sicherheit des Weges mit der Erhebung von Zöllen verbunden, wobei dieser Zusammenhang sich im Laufe des Spätmittelalters so weit verflüchtigte, dass der Zoll Reisenden eher als Wegelagerei erscheinen musste. Zollstellen waren relativ häufig - Reisdene konnten sich jedoch auch von Zöllen befreien lassen (oder die Gebühren gegen Vorlage bestimmter Briefe zurückfordern). Pilger waren generell von Zöllen befreit, bei Händlern kam es stark auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Stadt oder einem Land an (gegenseitige Befreiung von Zöllen war häufig, Könige konnten für ausländische Händler ihre Märkte dadurch leichter öffnen). Der Straßenzwang sorgte dafür, dass man sich an den Wegverlauf hielt (rechtliche Grundlagen sind z.B. im Sachsenspiegel verzeichnet).
Pilger konnten in der Regel fast mittellos reisen. Andere mussten neben Zöllen, Geleitabgaben und Übernachtungsgebühren noch mit weiteren Kosten rechnen: Essen, Heuer für Fuhrleute oder Bootsführer, Entgelte für Ortskundige und Lotsen. Wer Pferde mit sich führte, musste mit hohen Kosten rechnen, da Nahrung, Stallmiete, Transport (z.B. über Flüsse) und Pflege erstaunlich hohe Summen verschlangen.
Literatur
Die Reisenden: Händler, Pilger, Ehrenleute
Im Mittelalter war Reisen nicht so verbreitet wie heute. Die Strecken waren lang, die
Wege schlecht ausgebaut und die Verkehrsmittel langsam. Es reiste nur der, der wirklich musste.
Viel unterwegs waren Händler und Hausierer, die ihre Waren in einer großen Stadt anboten, zum Beispiel in Köln, der größten Stadt nördlich der Alpen. Aber auch Adelige, Boten und Gesandte, Bauern und Pilger kamen viel herum. Mit Bündel und Wanderstab reisten die Pilger an und erbaten sich am Hahnentor im Westen Kölns Einlass. Die Kölner selbst sind dagegen nur wenig gereist - nur dann, wenn es unbedingt notwendig war. Viele sind nie über die Stadtgrenzen hinaus gekommen.
Die Wasserstraße nach Köln war ein beliebter Reiseweg. Der Rhein bot ideale Verkehrsbedingungen nach Nord und Süd, denn die meisten großen Städte lagen an großen Flüssen. Wasser war gerade für Güter der schnellste Verkehrsweg. Der Film zeigt auch das häufigste Ziel in Köln: den großen Marktplatz. Hier boten Händler ihre Waren an, zum Beispiel Stoffe, ebenso wie Bauern ihr Getreide oder ihre Hühner verkauften.
Städte waren im Mittelalter Zentren des Handels, der gewerblichen Produktion und der Verwaltung. Ihre Mauern schützten die Einwohner, die Märkte und die im Ort gelagerten Verkaufsgüter. Jenseits des geregelten Stadtlebens begann die Wildnis, die die Menschen als bedrohlich, geheimnisvoll und unkontrollierbar empfanden – wenngleich sie sie als Nahrungsmittel- und Rohstofflieferant nutzten. Viele Bewohner verließen ihre Stadt bzw. die nähere Umgebung zeitlebens nicht. Dies gilt auch für die Landbewohner. Nach Schätzungen lebten 85 Prozent der Weltbevölkerung im Mittelalter dauerhaft als schollengebundene Bauern in ihren Dörfern.
Reisen hat seinen Ursprung im althochdeutschen Wort risan (aufstehen, aufbrechen). Wer im Mittelalter reiste, musste allerlei Mühen auf sich nehmen und vielen Gefahren trotzen. Was ihn in der Fremde erwartete, wusste der Reisende meist nicht. Er bewegte sich in unwegsamem Gelände, war der Natur ausgeliefert und musste damit rechnen, wilden Tieren oder Räubern zum Opfer zu fallen. Nur Privilegierten standen Reittiere, Reisewagen oder gar Sänften zur Verfügung, die meisten Menschen bewegten sich zu Fuß.
Lasten wurden mit Wagen, Ochsenkarren und Zugtieren transportiert. Die Erfindung des Rades – bereits im 2. und 3. Jahrtausend v. Chr. wurden in Mesopotamien Fahrzeuge mit Rädern versehen – hatte eine Epoche eingeleitet, an der sich über Jahrtausende hinweg kaum etwas veränderte. Neuerungen gab es nur beim Geschirr der Pferde und bei der Federung einiger Wagentypen (z. B. Lederaufhängung nach römischem Vorbild bei Reisewagen).
Überlandwege existierten nur selten - und diese hatten, abgesehen von den noch erhaltenen Römerstraßen, keine aufgeschütteten Trassen. Viele "Straßen" waren nur Trampelpfade. Die Richtung gaben
Flüsse und Täler an, markante Erhebungen halfen bei der Orientierung. Nur selten fand man im unwegsamen Wald oder an Flussübergängen Zeichen, die als Wegweiser dienten. Vereinzelt gab es
Knüppeldamme über kurze Sumpfstrecken, die von misstrauischen Anwohnern unterhalten wurden.
Der König, der Adel und die Geistlichkeit reisten viel. Denn Herrschen bedeutete im Mittelalter reisen, man reiste nicht zum Vergnügen. Auch Händler und Kaufleute, Handwerksburschen, Spielleute und Schausteller waren ständig unterwegs Für die anderen Menschen blieb das Reisen dagegen ein seltenes und aufgrund der schlechten Straßenverhältnisse auch noch anstrengendes Erlebnis. Es bestand für "normale" Menschen auch wenig Grund zum Reisen. Man hatte seine Familie und Verwandten im Dorf und pflegte Kontakte mit Familienmitgliedern in den Nachbardörfern. An bestimmten Tagen besuchte man vielleicht den Markt in der nahegelegenen Stadt. Außerhalb des Nahbereiches kannten viele Menschen niemanden, zu dem sie hätten reisen können. Ferien- und Urlaubsreisen, wie wir sie heute unternehmen, kannten die Menschen bis ins 18. Jahrhundert hinein nicht.
Der deutsche König hatte keine feste Residenz, es gab keine Hauptstadt. Die Hauptstadt des Königs, so heißt es, war der Sattel seines Pferdes. Die Könige des Mittelalters bevorzugten zwar je nach politischer immer wieder bestimmte Aufenthaltsorte, Pfalzen, Klöster, Städte oder Burgen (Residenzen), über eine Hauptstadt verfügten sie aber nicht. Berlin, die alte preußische Residenzstadt, wurde erst 1871 Reichshauptstadt.
Um seinen Herrschaftsanspruch in allen Landesteilen zu demonstrieren, die Huldigung der Königsleute, Reichsstädte und Reichsdörfer entgegenzunehmen, musste der Herrscher ständig unterwegs sein. Nur so konnte der mit den Großen des Reiches Kontakte pflegen und die Verwaltung des Reichsgutes, des zum Königtum gehörenden Besitzes, kontrollieren.
Ähnliches galt für die anderen Landes- und Territorialherren. Auch sie mussten ihre teilweise weit verstreut liegenden Besitzungen inspizieren. Der Ritter hatte im Rahmen seines Lehnsdienstes viele Tage im Jahr dem Lehnsherrn in dessen Kriegs- und Fehdezüge zu folgen. Er hatte die herrschaftlichen Gerichtstage zu besuchen. Bedeutendere Herren hatten sich immer wieder am Aufenthaltsort des reisenden Königs einzufinden. Hohe Herren waren verpflichtet, den König bei seinen Umritten und Italienreisen zu begleiten. Dann konnten sie leicht Monate- oder jahrelang von zu Hause weg sein. Nur ausnahmsweise wurde ihnen gestattet, einen würdigen Stellvertreter zu entsenden.
Reisen war im Winter einfacher als im Sommer, da der Frost zwar lästig war, dafür die Wege hart und begehbar waren. In tief verschneiten Wintermonaten war dagegen an eine Fortkommen, welcher Art auch immer, fast nicht zu denken.
Doch auch im Flachland kamen Reisende bei trockenem Wetter auf den engen und holprigen Wegen nur langsam vorwärts. Längst nicht alle Überlandstraßen waren für Wagen oder Kutschen geeignet, auf ihnen kam man nur zu Fuß oder auf dem Rücken eines Pferdes vorwärts. Wenn bei schlechtem Wetter die Wege verschlammten, war Reisen fast nicht möglich. Von widrigen Wetterverhältnissen einmal abgesehen, lief man unterwegs ständig Gefahr, von Räubern beraubt oder von Landesherren angehalten und um Geleit- und Wegegeld erleichtert zu werden. Übernachtungen unterwegs waren, wenn man der Überlieferung glauben darf, ebenfalls kein Vergnügen. Auf dem Land gab es nur wenige Herbergen und auch die Gasthäuser in den Städten ließen es wohl zuweilen an einfachstem Komfort und Sauberkeit vermissen.
Die Reisegeschwindigkeit betrug zu Fuß etwa 4-6 km pro Stunde. Ein Wanderer brachte es auf etwa 40 km pro Tag, wenn er mehrere Tage unterwegs war und seine Kraft einteilen musste. Ein Läufer, der eine Botschaft übermitteln wollte, schaffte eine Tagesleistung von ca. 65 Kilometer. Die Stafettenläufer in Indien sollen Nachrichten an einem Tag über 300 Kilometer befördert haben.
In nicht zu bergigem Gelände legte ein Kaufmann mit Wagen und Gefolge ungefähr 30-45 Kilometer an einem Tag zurück. Für die Strecke von Köln nach Utrecht, je nach Reiseroute etwas mehr als 200 Kilometer, benötigte ein Gespann fünf Tage. Von Breslau nach Wien (ca. 450 Kilometer) brauchte man zehn Tagen, von Augsburg nach Mailand (ca. 500 Kilometer) zwölf und von Nürnberg nach Venedig (ca. 650 Kilometer) 14 Tage.
Ein Reiter legte etwa 60 Kilometer pro Tag zurück. Ein berittener Kurier, der sein Pferd öfters wechseln konnte, schaffte 80 Kilometer pro Tag, ein päpstlicher Eilbote kam 110 Kilometer voran. Eilboten in Frankreich und Spanien waren mit ca. 200 km pro Tag noch schneller. Die Pferdestafette im Mongolenreich soll es gar auf 375 Kilometer gebracht haben.
Bei ausgedehnten Auslandreisen stand die Reisegeschwindigkeit nicht so sehr im Vordergrund. Man wollte zwar zügig, aber auch sicher reisen. Als Graf Philipp von Katzenelnbogen im Jahr 1433 eine Orientfahrt unternahm, sah sein Reiseplan folgendermaßen aus:
Reisetage/Datum | Reiseroute |
14. Juli | Abreise in Darmstadt über Ulm, Innsbruck, Ampezzo, Treviso nach Venedig |
30. Juli | Ankunft in Venedig |
10. August | Abreise aus Venedig mit dem Schiff |
25. August | Ankunft in Kreta |
07. September | Abreise von Kreta mit dem Schiff |
11. September | Ankunft in Alexandria |
Bei den Kreuzzügen und Pilgerfahrten mussten die Reisenden mit ähnlichen Reisezeiten rechnen. Am 25. April 1483 brach beispielsweise ein spätmittelalterlicher Pilger in Oppenheim am Rhein auf.
Binnen 15 Tage traf er in Venedig an. Er musste ca. 750 km Reiseweg überwinden, schaffte also pro Tag etwa 55 km. Bis er in Venedig alle Formalitäten für die Schiffsreise nach Palästina erledigt
hatte, waren drei Wochen vergangen und erst am 7. Juli konnte er die Seereise in Jaffa beenden. Er war demnach mehr als zehn Wochen unterwegs.
Gastfreundschaft und Gasthäuser im Mittelalter
Die meisten Rollenspieler nehmen an, dass die Unterbringung während der Reise im Mittelalter ähnlich funktioniert hat wie heute. Dies ist jedoch wirklich nicht so - interessanterweise bieten sich
damit auch ganz neue Möglichkeiten zum Rollenspiel und Herausforderungen für die Spieler.
Arten der Unterbringung
Im 13. Jahrhundert kommerzialisiert sich die Unterbringung von Reisenden zunehmend, wobei es durchaus große regionale Unterschiede zu geben scheint. Generell stehen folgende Möglichkeiten der Unterbringung offen:
Private Unterbringung (Gastfreundschaft): Auch in Europa gab es damals die althergebrachten Regeln der Gastfreundschaft. Im 13. Jahrhundert kann ein Reisender diese jedoch vor allem in
abgelegenen Gegenden in Anspruch nehmen (entlegende Bergtäler, Dörfer abseits von Handelsstraßen, usw.), oder wenn er dem Adel oder Klerus angehört. Die Gastgeber mögen überschwänglich freundlich
oder mürrisch sein. Klöster könnten mißtrauen gegen fremden Reisenden haben, schließlich könnte es sich um Verbrecher, Reliquiendiebe oder Spitzel eines anderen Orden handeln. Bei
Alpenüberquerungen kann es sein, dass Reisende eingeschneit werden und den Winter über bleiben müssen. Mithilfe ist dann angesagt, aber auch die Tochter des Hauses mag den Gast vielleicht nur
ungern ziehen lassen...
Fondacum, Karavanserei: Dem reisenden Kaufmann ist das Fondaco vorbehalten. Dieser Typ findet sich im 13. Jahrhundert fast ausschließlich im südlichen Raum (auch Süddeutschland, Schweiz) und in großen Handelszentren wie Brügge oder London. Die Aufgabe dieser Herbergen besteht für Händler in Unterbringung, Warenlagerung, Vermittlung von Handelsgeschäften, Information, Kommunikation und sozialen Tätigkeiten (Entspannung, Unterhaltung). Damit sind diese Einrichtungen viel mehr als einfache Herbergen - in manchen Orten sind sie wichtige Handelszentren. Stallknechte, Diener, Unterhalter, Köche und Huren finden hier ihr Auskommen, die reichen Händler gehen hier ein und aus und tauschen Waren und Informationen aus. Nachteil für den einfachen Menschen: Fondaca sind exklusive Clubs der Fernhändler.
Hospitz, Herberge: In Städten und Handelsplätzen findet der Reisende Herbergen. Das ist sozusagen der "klassische Fall" der Unterbringung. Wo sie tatsächlich vorkommen und wie sie gestaltet sind, dazu mehr weiter unten.
Religiöse Gastlichkeit (Pilgerhospitz): Jeder der sich als mittelloser Pilger ausweisen kann (also einer ohne Pferd oder Gefolge), hat in den meisten Orten Europas die Möglichkeit, kostenlos in Klöstern oder Pilgerhospitzen unterzukommen. Naheliegenderweise verdichten sich diese Unterkünfte entlang der Pilgerstraßen, etwa nach Rom, vor allem aber nach Santiago de Compostella (Es gibt Annahmen, dass bis zu einer halben Million Menschen jedes Jahr nach Santiago reisten). Die Unterkünfte sind zumeist schlicht (Schlafsaal), das Essen ebenso (Suppe, Brei, Gemüseauflauf für die Pilger). Betrügerische Pilger sind durchaus verbreitet, so dass zum einen die Gefahr, betrogen oder ausgeraubt zu werden real ist, zum anderen auch manche Menschen Pilgern grundsätzlich mißtrauen (es gibt Berichte von Gewalt gegen und Lynchmorden an Pilgern). Ein Pilger sollte sich demnach auch nicht zu weit abseits der Pilgerstraße bewegen, denn das erregt nur Mißtrauen (Spione im fremden Königreich, verkleidete Verbrecher?). Abenteuer ist somit garantiert.
Wer reist im 13. Jahrhundert?
Dazu sagt Peyer: "sehr viele [reisen] relativ wenig". Reisende sind:
Herrscher, Adelige, Bischöfe, Fernkaufleute
Ordensritter, Söldner
Studenten, Gelehrte, Gesellen
Pilger, Kleriker
Kuriere, Fuhrleute, Viehtreiber
Handwerker (v.a. Spezialisten wie Bergleute oder Baumeister), Spielleute
Inwieweit Bauern reisten, ist eine offene Frage. Generell gilt im 13. Jh. im Gegensatz zu früheren Zeiten: Man reist nicht mehr das ganze Leben, Reisen ist ein seltenes Ereignis, das in
bestimmten Lebensphasen eintreten kann. Somit werden die Charaktere vielen Leuten begegnen, die "früher einmal gereist sind".
Mehr zum Reisen im Artikel "Reisen im Mittelalter".
Wo kommen Herbergen vor?
Kommerzielle Herbergen für jederman gibt es natürlich in Städten und Handelsplätzen (Marktflecken, saisonale Marktorte, v.a. Messeplätze). Daneben gibt es Herbergen vor allem an schiffbaren Gewässern (wobei "schiffbar" damals fast alles bedeutete, wo man auch mit kleinen Booten fahren kann). Entlang von Straßen sieht das schon schwerer aus, außer es sind regelrechte Fernhandelsstraßen (z.B. Brenner).
Wer betreibt Herbergen?
Herbergen sind selten Privatunternehmen (nur in großen Städten), sondern werden meistens von der Obrigkeit betrieben. Auf dem Land sind Herbergen oft an alte Fronhöfe oder ähnliches gebunden, in Städten sind die Betreiber die Stadt oder städtische Gruppen (Rat, Geistlichkeit, Händlervereinigungen, etc.). Diese Gebäude wurden häufig an Wirtsleute verpachtet (für durchschnittlich 10-12 Mark pro Jahr). Private Tavernen besitzen dagegen oft keine Unterbringungsmöglichkeit (Schenken und Garküchen in Städten).
Das Aussehen und die Ausstattung von Herbergen
Nördlich der Alpen kommen Gasthäuser mit Einzelzimmern erst im 16. Jahrhundert auf! Meist sind Gasthäuser zu dieser Zeit große Gebäude (deshalb leicht zu erkennen) mit folgenden Räumen:
Gaststube, oft der einzige beheizte Raum
Stube des Wirtes (private Räume, die höhergestellten Personen ggf. vermietet werden können, wenn der Wirt das will)
Kammer (= Schlafsaal - oft ist dies der selbe Raum wie die Gaststube)
Küche, meistens ist diese aber in der Gaststube
evt.: Pferdestall und Schuppen
ggf.: Brauerei, Mälzerei (Bier wurde ja lokal gebraut)
Die Gaststube ist nördlich der Alpen meistens der einzige beheizte Raum. Hier spielt sich das gesamte Leben der Stube ab - Begegnungen, Essen, Trinken und oft genug auch das Schlafen (falls es keinen extra Schlafsaal gibt, der dann sowieso nicht beheizt wird). Die Stube ist deshalb auch sorgfältig gebaut, meist vertäfelt, manchmal auch mit Glasfenstern. Der Ofen des Hauses steht in der Gaststube, weshalb meistens hier auch gleichzeitig gekocht wird.
Selbst in größeren Handelsstädten wie Lübeck gibt es keine Einzelzimmer, außer man kommt bei Freunden unter! Man schläft im Schlafsaal (oder auch mehreren Fünf- oder Sechsbettzimmern) auf
Strohsäcken oder in Betten, die oft mehrfach (!) belegt sind. Die höheren Herrschaften mieten sich meistens eine komplette Herberge und richten diese entsprechend vor der Ankunft der Herrschaften
entsprechend her (Betten, entsprechendes Essen, usw.). Zum Essen: Herbergen bieten generell einfaches Essen (Suppen, Grützen, usw.). Fleisch und andere Delikatessen muss der Gast schon selbst
mitbringen.
Wem begnet man im Gasthaus?
Das kommt stark auf die Funktion des Hauses an , hier einige Ideen:
Wirt und Schankknechte, Pferdeknechte, usw.
anderen Reisenden (s.o.)
Vermittler und Makler (von Geschäften)
Dolmetscher und Ortkundige (davon gibt es sicherlich viele und die nerven den Fremden durchaus beharrlich)
Fremdenführer (zum nächsten Ort - die Wege sind ja nicht beschildert)
Unterhaltungskünstler (Geschichtenerzähler, Würfelspieler, Wahrsager, Lautenspieler, leichte Mädchen)
Rechtliche Besonderheiten
Stirbt ein Reisender, so muss die Herberge generell seine Habe aufbewahren. Oft kann dafür jedoch der Wirt oder auch die Herrschaft einen Teil des Besitzes einbehalten (z.B. das beste Hemd, an
anderen Orten waren das immerhin 2/3 des Erbes). Außerdem muss eine bestimmte Frist eingehalten werden, z.B. 30 Tage oder 1 Jahr, bevor die gesamte Habe an Wirt oder Herrschaft fällt. Eine
interessante Sagaidee wäre, die Habe eines auf Reisen verstorbenen Magus vor dem Zugriff vor Fremden retten zu müssen.
Das Haus und sein Friede sind unverletzlich und schützen den Gast (Hausfrieden). Wer als Fremder in die Stadt kommt, hat direkt zum Haus seines Gastgebers zu gehen und dort seine Waffen abzulegen, bevor er in der Stadt seinen Geschäften nachgeht. Geächtete, usw. dürfen natürlich nicht aufgenommen werden... sonst fällt man selbst der Acht anheim. Im Gegensatz zum Haus bietet die Taverne übrigens keinen Schutz für den Gast (also keinen Hausfrieden)!
In vielen Städten besteht ein Zwang zur Unterbringung, d.h. die Stadt bestimmt, in welcher Herberge Reisende untergebracht werden!
Erfahrungsberichte von Reisenden
Den wenigen Reisenden, die vom Süden in den Norden kamen, macht das Klima in der Regel zu schaffen. Es gibt viele Berichte von Italienern, die über das "barbarische Klima" des Nordens
jammern.
Ebenso beklagen sich vor allem Italiener über die beheizten Stuben, die sie am Schlafen hinderten, weil sie angeblich keine frische Luft zuliesen.
Beim Schlafen sind Doppelbelegungen im nordalpinen Raum üblich (auch für Frauen - es wird im übrigen oft nackt geschlafen). In Schlafsälen werfen die Leute einfach ihre Sachen auf einen Haufen,
was manchen Fremden abschreckt, weil sie Angst haben, dass der Dreck von anderer Kleidung auf ihre kommen könnte.
Literatur
Peyer, Conrad (Hrsg.): Gastfreundschaft, Taverne und Gasthaus im Mittelalter (Schriften des Historischen Kollegs), München 1983.
ders.: Von der Gastfreundschaft zum Gasthaus. Studien zur Gastlichkeit im Mittelalter (MGH Schriften, Bd. 31), Hannover 1987.
Reichert, Folker: Erfahrung der Welt. Reisen und Kulturbegegnung im späten Mittelalter, Stuttgart 2001.
Werke von Anke Greve zu Hosteliers in Brügge.
Quelle: http://www.arsmagica.de/kuriosa/wissenswertes/gasthaus/