Der Lübecker Totentanz entstand 1463 wohl unter dem Eindruck des schwarzen Todes, der Pest, in der Marienkirche zu Lübeck, nachdem ein erster Totentanz wohl in La Chaise-Dieu angefertigt wurde. Er bestand aus mittelniederdeutschen Reimversen und zugehörigen Bildern auf Leinwand und befand sich in der später nach ihm so benannten Totentanzkapelle im nördlichen Querschiff. Die Kapelle diente zur Entstehungszeit des Totentanzes als Beichthaus und enthielt entsprechendes Gestühl mit abgetrennten Sitzen für die Beichte hörenden Geistlichen; der Fries erinnerte die hier zur Beichte kommenden Menschen an ihre Vergänglichkeit.
Das Werk wird im Allgemeinen Bernt Notke zugeschrieben und auf eine mittelniederländische Vorlage zurückgeführt. Der Fries erstreckte sich als fortlaufende Bilderwand oberhalb des Gestühls der Kapelle in einer Länge von fast 30 Metern und einer Höhe von zwei Metern. Er zeigte vor der Kulisse der Stadt Lübeck und der sie umgebenden Landschaft 24 (2 mal 12) Paare in Lebensgröße – jeweils eine Todesfigur und eine Standesfigur in hierarchischer Abfolge der Ständegesellschaft. In den Versen spricht jeweils die Person den Tod an. Dieser antwortet und wendet sich dann im letzten Vers seiner Antwort dem nächsten „Tanzpartner“ zu.
Der Reigen begann mit dem Papst, gefolgt vom Kaiser und der Kaiserin (einer von zwei weiblichen Figuren), dem Kardinal und dem König (an der Westwand: 1).
An der Nordwand folgen der Bischof (2), der Herzog (1799 bei Erweiterung des Nordportals entfernt), der Abt und der Ritter (3).
Die eindrucksvollste Figurenfolge bestand aus Kartäusermönch, Edelmann (seit 1701: Bürgermeister), Domherrn, Bürgermeister (seit 1701: Edelmann) und Arzt vor der Silhouette der Stadt Lübeck (4).
Es folgten an der Ostwand Wucherer, Kaplan, Kaufmann (seit 1701: Amtmann), Küster, Amtmann (im Sinne von: Mitglied eines Amtes, Handwerker; seit 1701: Kaufmann) (5).
Nach einer Unterbrechung durch die heute nicht mehr vorhandene Oldesloe-Kapelle erschienen an der Nordwand des massiven Querschiff-Mittelpfeilers Klausner und Bauer (6).
Den Abschluss bildeten an der Westseite des Pfeilers, dem Anfang gegenüber, ein junger Herr, ein junges Mädchen und schließlich das Kind in der Wiege (7).
Bis auf die Abschlusswand wechseln sich in der Regel geistlicher und weltlicher Stand ab – Arzt und Küster zählen dabei zu den geistlichen Standespersonen.
(Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%BCbecker_Totentanz)
Seet hyr dat spectel, junck unde olden,
Unde dencket hyr aen ok elkerlike,
Dat sik hyr nemant kan ontholden,
Hebbe wi den vele gudes ghedaen,
So moghe wi wesen myt gode een,
Wy moten van allen loen untfaen.
Unde lieven kynder, ik wil ju raden,
Men gude exempel en opladen,
Eer ju de doet sus snelle bilicht!
Pawes, keiser unde alle creaturen,
Tredet vort, wente nu en helpet nen truren!
Men dencket wol in aller tyd,
Dat gy gude werke myt ju bringen
Unde juwer sunden werden quyd,
Dantse wy voer, ik unde du!
Al hevestu in godes stede staen,
Een erdesch vader, ere unde werdicheit untsaen
Volghen unde werden, als ik sy.
Dyn losent unde bindent dat was vast,
Der hoecheit werstu nu een gast.
Unde ik altohant moet werden
Gelik als du een slim der erden?
Mi en mach hocheit noch rickheit baten,
Wente al dink mot ik nalaten.
Pawes, alse ik was mine tit!
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Her keiser, wi moten dansen!
Vorandert my alle myne natture.
Ik was mechtich unde rike,
Hogest van machte sunder gelike.
Koninge, vorsten unde heren
Nu kumstu, vreselike forme,
Van mi to maken spise der worme.
To beschermen unde to behoden
Myt deme swerde der rechticheit.
Men hovardie heft di vorblent,
Du hesst di sulven nicht gekent,
Mine kumste was nicht in dinem sinne! – –
Was ick ny vorvert so grot!
Ik mende, he si nicht al bi sinne,
Bin ik doch junck unde ok eine keiserinne.
Up em hebbe ik ny gedacht
Ofte dat gement dede tegen mi.
Och, lat mi nach leven, des bidde ik di!
Tred hyr an! it is nu de tyt.
Du mendest, ik solde di schelden quit?
Nen! al werstu noch so vele,
Du most myt to dessem spele,
Halt an, volge my, her kardenale!
Ik kan di niegensins entflen.
Se ik vore efte achter my,
Wat mach de hoge staet my baten,
Den ik besat? Ik mot en laten
Unde werden unwerdiger ter stunt
Wen ein unreyne stinckende hunt.
En apostel godes up ertryke,
Umme den kersten loven to sterken
Myt worden unde anderen dogentsammen werken.
Men du hest mit groter hovardichede
Des mustu sorgen nu de mere! – –
Nu tret ok vort her, konningck here!
Dussen dans en hebbik nicht gelert.
Dagen vor my durbar gerichte,
Unde juwelik hodde sick, de worde
To sprekende, de ick node horde.
Nu komstu unvorsenlik
Na werliker herlicheyt.
Wat batet? Du most in den slik,
Werden geschapen myn gelik.
Hestu under dy laten reigeren,
Den armen niegene leed want! – –
Her bischop, nu holt an de hant!
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Du most dyn part sulven dragen!
It sal di wesen swar,
Di mach nich volgen nar
Din lon is na diner dat,
Nemant mach di des vorbringen. – –
Summen, kum an, ik wil di singhen!
Ik hebbe ovel overbracht,
Sterven hadde ik klene geacht.
Mine gedanken weren, to vullenbringen
Jutto lust in idelen dingen;
Nu mot ik reisen unde wet nicht, war.
Den armen, so were di wol to mode.
De klegeliken klagen er gebreken,
Dines pachtes werstu gewert.
Na mi haddestu ninen begert,
Dat ik ens umme kame to hants. – –
Kanonik, tret her an den dans!
Van minen prunden hadde ik genoch
To bruken went her min leven,
Late mi des dansses noch begheven!
Nu scholde ik vullen min schrin.
Late mi doch gade denen bat,
Den ik in miner joget vorgat.
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Wil di god dusentvult belonen
Unde in deme ewighen levende kronen!
Mer dine bedrechlicheit darmede
Mochte di bringen in groten unvrede.
Volghe na, meister medicin!
Vele minsken hebbe ik ghenesen,
De van groter suke leden not.
En helpet nine kunst noch medicin.
Nu bevole ik mi sulven de pin,
Van deme dode bin ik beseen,
Wat ordel dat mi schal bescheen.
Na den werken, de du hefst ghedan.
Du hefst ghedan, dat god wol wet,
Mengen in grot eventur gheset,
Den armen swarlik beschat,
Al nemestu grote summen darvan. – –
Wokerer, volghe van stunden an!
Up di en dacht ik klene noch grot!
Mine bone sint vul kornes geladen.
Mot ik nu sterven, dat is mi swar,
Unde latent hir und wet nicht, war,
Ik en wet nicht, war ik henne mot!
Anders hefstu nicht uterkaren
Den dat gut up desser erden!
Ik wet nicht, wat van di sal werden.
Noch to stervende nicht gedacht.
Nu mustu int ander lant. – –
Her kappelan, lange her de hant!
Slaplik hebbe ik gequiten,
Ik vruchte, god schalt nummer witen.
Hebbet bedraghen minen gest.
Wente ik it hir al laten mot!
Recht vor dine ogen geset
Unde vlitliken gelert,
Dat volk bracht to gode,
Dat were gut! Nu schedestu unnode!
It mot sin sunder beiden! – –
Kopman, wilt di ok bereiden!
Na gude hebbe ik gehat pin
To lande unde tor see,
Dor wind, regen unde snee,
Nin reise wart mi so swar.
Hadde ik mine rekenscop ghedan,
So mochte ik vrolik mede ghan.
In kopenscop, alse di was gheven,
Wen alle dink to richte steit,
Hefstu di so vorwart
Unde din dink gans wol geklart.
Westu anders, dat is nicht gut. – –
Nu ik erst to denen began?
In miner kosterie mende ik klar,
Noch hogher to komen vorwar.
Also mi dunkt, so krige ik nin.
Ik mach des nicht gebruken,
De dot wil mi vorsluken!
It is diner sele meiste profit,
Dat gi nicht hogher resen sit.
Volghe na in mine partie,
Wente hoch sin maket hovardie!
Amtman, tret an, it is nen spot!
Ovel hebbe ik mi vorgeseen
Unde hebbe mi ser ovel bedacht,
Dat gud prisede ik sere.
Nu bidde ik di, leve here,
Du mi de sunde wilt vorgheven
Unde late mi in din ewige leven!
Achten vele dinges kleine,
Dat gi einen anderen bedreghen
Unde vaken darinne leghen.
Up sterven hebbe gi nicht gepast,
Dat wil juwer selc wesen swar! – –
Klusenaer, volghe naer!
Were ik van binnen bereit,
De viant heft mi tentert
Mit menniger temptacie swar.
Vorbarme di, her, openbar
Ik di bekenne mine sund!
Di hort dat hemmelske rik.
Dat arbeit, dat du hefst ghedan,
Sal diner selen lustende stan.
Er scholde nicht vele ovel komen,
Men it worde mengen sur. – –
Kum to min reigen, veltgebur!
Mit arbeide henghebracht
Unde ghedacht dach unde nacht,
Wo ik min lant mochte begaden,
Dat it mit vrucht worde geladen,
Den dot hebbe ik nicht geacht.
God wil di nicht vorsman
Mit dinem arbeide unde not.
God wilt di betalen
In sinen oversten salen.
Vruchte nicht en twink! – –
Tret her, jungelink!
Du hefst de tyt ovel raket,
Du kumpst slikende her ghegan
Unde wult mi in din nette beslan.
De werlde mi lavet heil,
Wike wech, late mi ruseleren!
Int older wil ik mi bekeren.
slikende is min ummewank.
To gade, sin luste dregen ser.
Hir is nene blivende stat.
Haddestu west der werlde hat,
Were di beter unde er minne! – –
Ik junghe schone derne,
Ik hadde merket der werlde lust,
Van diner kumpst nicht gewust.
Ik wuste nicht, dattu hir werst.
So trede ik vro in dinen orden.
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Ik schal dansen unde kan nicht gan!
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Anno domini mcccclxiij in vigilia assumcionis Marie.
(Quelle: http://de.wikisource.org/wiki/L%C3%BCbecker_Totentanz)