Der Kaufmann des 13.Jahrhundert

Zu Beginn seiner berühmten Practica della Mercatura gibt Francesco Pegolotti die Verse von Dino Compagni wider:

 

Der Kaufmann, der Ansehen genießen will,

muß immer gerecht handeln,

große Weitsichtigkeit besitzen

und immer seine Versprechen einhalten.

Wenn möglich, soll er liebenswürdig aussehen,

wie es dem ehrenwerten Beruf, den er gewählt hat, entspricht

aufrichtig beim Verkauf, aufmerksam beim Kauf sein,

er soll sich herzlich bedanken und von Klagen Abstand halten.

Sein Ansehen wird noch größer sein, wenn er die Kirche besucht,

aus Liebe zu Gott spendet, ohne zu feilschen

seine Geschäfte abschließt und sich strikt weigert

Wucher zu betreiben.Schließlich soll er vernünftig

seine Konten führen und keine Fehler begehen.

(<<Amen>>, fügt Pegolotti hinzu.)

Practica della mercatura
The Florentine merchant Francesco Balducci Pegolotti compiled his Libro di divisamenti di paesi e di misuri di mercatanzie e daltre cose bisognevoli di sapere a mercatanti between 1335 and 1343, probably within the period 1339 to 1340. The work is commonly known as the Pratica della mercatura, the name given to it when it was first printed in 1766.
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Gewinne "einstreichen", diese Wortkombination stammt wahrscheinlich von der Praxis im Mittelalter auf Linien mit Rechenpfennigen zu rechnen.

Nach dem Rechenvorgang strich man mit der Hand die Rechenpfennige (eventuell Gewinne) ein.

Auch was auf dem "Kerbholz" haben. Diese Zähl- und Buchhaltungstechnik fand auch im Mittelalter ihren Einsatz.

Ein Kerbholz war ein gespaltenes Holzstück, in das man im zusammengefügten Zustand, "Kerben” schnitzte. Letztere konnten Schulden, Guthaben, etc. darstellen. Eine Hälfte bekam der Schuldner, die zweite der Gläubiger.

 

Extrem fälschungssicher, da nur die zwei gespaltenen Holzstücke zueinander passten.

Dies sind nur zwei Beispiele für "Wortschöpfungen" vergangener Zeiten, welche heute noch in Gebrauch sind.

 

Hier möchte ich einige Rekonstruktionsversuche zum täglichen "Handwerkszeug" eines Kaufmannes im städtischen Umfeld zeigen. Ein wichtiges Hilfsmittel der Kaufleute im 13. Jahrhundert war zum Beispiel die Münzwaage.

 

In einer einfachen Ausführung aus Knochen gearbeitet, praktisch auf Reisen. Oder die aufwändigere Variante aus Buntmetall mit zwei Waagschalen.

 

Da Geld bzw. Münzen im Hochmittelalter nicht einheitlich waren, und es Unmengen verschiedener Prägungen gab (allein im "Deutschen" Raum gab es im ausgehenden 13. Jh mehrere hundert verschiedene Münzstätten) waren Hilfsmittel zur Kontrolle und Umrechnung der Münzen unverzichtbar.

 

Die Verwendung eines Rechenbretts (Abakus) im 13. Jh ist, mangels mir vorliegender Belege, nur vermutet.

Die Existenz halte ich jedoch wegen des reichlichen Vorhandenseins von Rechenpfennigen für sehr wahrscheinlich.

 

Um diese "Schätze" nun sicher zu verwahren konnte der Kaufmann des Mittelalters verschiedene Geldtruhen oder Geldkassetten verwenden.

Verschlossen waren solche "Kisten" oft mit Vorhängeschlössern aus Eisen oder Buntmetall, wie man sie an diversen Fundorten gefunden hat.

 

Der hier dargestellte Kaufmann einer süddeutschen Stadt im ausgehenden 13. Jahrhundert, hat es durch seinen Handel zu einem gewissen Wohlstand gebracht. Die Ausführung seiner Gebrauchsgegenstände und seiner Kleidung spiegeln eine gewissen Wert wieder. Messergriffe mit Buntmetalleinlagen, aufwändig gedrechstelte Knochendosen mit Silberbeschlägen aus Süditalien, Metall und Knochenstyli in filigraner Verzierung, transportables Tintefass, Holztrippen um das Schuhwerk zu schützen, doppelt gefärbte Stoffe für die Kleidung, Weinglas, und vieles mehr.

Hildesheims Handel im Mittelalter

Gesamtbeitrag zum Download:

Hildesheims Handel im Mittelalter
Ein Aufsatz von Hubert Mainzer, Alt Hildesheim-Band 58
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Der Mittelalter-Rechner:

Das Hansevolk zu Lübeck

her unde massenîe ist eine Living History - Gruppe.
Wir versuchen, in unserer Freizeit bei Veranstaltungen von Museen, bei Lagern und anderen Gelegenheiten Mittelalterliches Leben darzustellen: Handelsleben im 13. Jahrhundert, genauer: Leben im Haushalt eines Kaufmannes aus Esslingen etwa 1270.

Der Handel im Mittelalter

Fernhandelsprodukte
Fernhandel gab es schon im Frühma., aber im hohen u. späten MA entwickelte er sich zum fast schon globalen System.
Auf der Handelsachse „Niederlande-Italien- Orient“ wurden Seide, Lederwaren, Gewürze, auch Drogen (!), Farbstoffe, Südfrüchte, Baumwolle, Rohrzucker u. Alaun nach Nordeuropa verhandelt. Den Norden Europas versorgte die Hanse; z.B. mit Textilien ( fläm. Tuche) im Austausch gegen Massengüter wie Wachs, Fisch, Eisen, Kupfer, Teer, Pelze, Getreide, Bier etc.
Zentren des Fernhandels waren vor allem die Handelsmessen (St. Denis [seit 634], Champagne, Ypern, Lille, Brügge, Genf, Antwerpen, Leipzig, Frankfurt a.M.)
Im Spätma. entstanden neue Produktionszentren. Der Fernhandel spezialisierte sich z.B. auf Wolltuche (England, Flandern, Toskana) u. Leinen- u. Barchent (Oberdtschl.). Die Rohstoffe dazu wurden ebf. eingehandelt, z.B. Wolle aus Spanien, Baumwolle u. Alaun aus der Levante od. Bergbaurohstoffe aus Tirol, Böhmen u. Ungarn.

 

Die „kommerzielle“ Revolution des 13. Jh.
Deren Elemente sind: Vorrang des Handels mit Massengütern vor dem mit Luxuswaren; Übergang zum schriftl. Geschäftsverkehr (Buchhaltung); Trennung der leitenden von der ausführenden Tätigkeit (Sesshaftigkeit des Kaufmann, Vertretung durch reisende Gehilfen bei Fernhandelsgeschäften); Entstehung von mit Fremdkapital arbeitenden Gesellschaften; Herstellung von Fernhandelswaren im Verlag; Aufkommen der Seeversicherung (s.u.) ; Übergang zu bargeldlosen Zahlungsverkehr.
 

Finanzgeschäfte
Ein weiteres Merkmal des ma. Handelsverkehrs ist die Verbindung von Klein-u. Großhandel; es gab keine Spezialisierung bei der Zusammenstellung des Warensortiments. Eine Folge daraus war, dass Handel u. Finanzgeschäfte zusammengingen. Hervorzuheben ist bei Letzterem die sog. Partenreederei u. das Versicherungswesen (spekulative Investitionen) in die Kaufleute investierten, Anlagengeschäfte im Bereich des öffentl. Finanzwesens, als Darlehensgeber, Steuer- u. Zollpächter, Münzmeister etc. sowie im Bankwesen.
 

Quelle: R. Kasties M.A., Dipl.-Archivar

Preise im 14. Jahrhundert

14. Jahrhundert

Löhne und Preise in den Städten stiegen in diesem Jahrhundert an und es entstand eine verstärkte Migration vom Land in die Stadt, wo ein Mangel an Arbeitskräften herrschte. Durch eine vermehrte Produktion von Nahrungsmitteln der Bauern für die Stadtbevölkerung kam es zu einem Preisverfall und daraus resultierend wieder zu einer Landflucht.
Im Rahmen der Gründung eines Münzvereins durch die Kurfürsten von KölnMainz und Trier sowie dem Pfalzgraf bei Rhein wurde der Rheinische Gulden geprägt, welcher sich zu einer Art Leitwährung im Reich entwickelte.
Vor der Umstellung zum Rheinischen Gulden galt für Köln um 1300 folgendes Währungssystem:[3]

  • 1 Mark = 16 Schilling = 96 Blaffert = 192 Pfennige
  • 1 Schilling = 3 Witten = 6 Blaffert = 12 Pfennige

Ein Pfund Butter kostete in der Stadt um diesen Zeitraum herum 24 Pfennige, ebenso 1 Pfund Reis, Lachse oder Karpfen. 100 Eier hatten einen Gegenwert von 132 Pfennigen (= 11 Witten), 100 Äpfel dagegen kosteten nur 72 Pfennige (= 3 Witten). 84 Pfennige (= 7 Blaffert) war der Preis für 1 Paar Schuhe.[3]

In Hamburg und Lübeck ist 1 Pfund Butter für 4 Pfennige zu erwerben, 100 kg Weizen oder 100 kg Roggen kosteten 6 Schillinge, 100 kg Hafer dagegen nur 4 Schillinge. 1 Paar Schuhe hatte einen Wert von 3 Schillingen, während ein Paar Stiefel mit 11 Schillingen Gegenwert weitaus teurer war. Als Luxusgut kann man sicherlich das Wirtschaftspferd bezeichnen, welches dem Händler 8 Mark einbrachte. Ein Ochse kostete dagegen 4 Mark und ein Schwein mit ca. 25 kg 15 Schillinge.[3]

In Bamberg dagegen wurde wie folgt umgerechnet:[4]

  • 1 Gulden = 20 Schillinge = 120 Pfennige = 240 Heller

So ist unter den Zimmerleuten, Steinmetzen, Dachdeckern und Maurern als täglicher Lohn für 1328 für einen Meister ein Lohn von 22 Hellern (Sommer) oder 18 Hellern (Winter) überliefert. Ein Geselle dagegen verdient im Sommer 16 Heller und im Winter 14 Heller. Ein Handlanger wird mit 10 Hellern im Sommer und 8 Hellern im Winter bezahlt. Zudem konnte ein Bauherr einem Meister 2 und den anderen Handwerkern unterhalb des Meisterstandes 1 Heller Badegeld zahlen.[4]

Mecklenburg hatte eine ähnliche Umrechnung. Für 1361 ist hier für einen Zimmermann am Tag 1 Schilling als Lohn angegeben, 1379 beträgt der Tageslohn für einen Zimmermann 1 Schilling und 1 Pfennig. Preislich lag 1304 ein Pfund Butter bei 3 Pfennigen (= 6 Heller), 15 Eier bei 1 Pfennig (= 2 Heller). 1325 kostete 1 Mantel 16 Pfennige (= 32 Heller) und 1379 1 Pfund Pfeffer 6 Schillinge (= 1440 Heller).[4]

Um 1367 wurden in Frankfurt am MainEngland und Antwerpen Spitzenpreise für Getreide gezahlt. Dies lag vor allem an der schlechten Witterung im Sommer 1366, welche negativ die Ernte und damit auch die Menge des zu verkaufenden Getreides beeinflusste. Für Lübeck ist ein Preis von 5 oder gar 6 Schillingen für ein Scheffel Roggen bekannt.[5] 1367 fiel die Ernte reichlicher aus, so dass nun die Preise stürzten. 1368 herrscht in Köln Getreideknappheit, während Mitte des Jahres in Straßburg der Preis für Roggen von 20 Schillingen nach 4 Tagen auf 7 sank.[6] In Frankfurt am Main stiegen die Preise bis 1370 noch einmal kontinuierlich an, bevor sie bis 1373 einen starken Abfall erlitten.
Um 1380 verdiente dort ein Maurer am Tag 40 Heller (Sommer) oder 32 Heller (Winter). Ein Handlanger dagegen brachte es auf 22 Heller im Sommer und 18 Heller im Winter. Jahreszeitenunabhängig wurden Ratsherren für eine Ratssitzung entlohnt. Sie erhielten 18 Heller. Die Tagesreise eines Ratsherren wurde mit 60 Hellern entschädigt. 1 Brot dagegen war mit einem Preis von 1 – 2 Hellern zu erwerben, 1 Fisch kostete ebenfalls 1 Heller. 1 Pfund Butter hatte einen Wert von 2 Hellern, 1 Pfund Rindfleisch einen Wert von 4 Hellern. Im Vergleich dazu kostete ein ganzes Rind 2 Gulden, 1 Pferd sogar 10 Gulden. Neben Kleidung und Nahrung ist zudem der Preis für einen Meisterbrief bekannt, der um 1380 2 Gulden betrug. Zudem ist überliefert, dass ein Baugrundstück mit Abbruchhaus 172 Gulden kosten konnte.[7] Ulman Stromer, Nürnberger Kaufmann und erster deutscher Papierfabrikant nördlich der Alpen, berichtet von einem Preis von 1825 Gulden für ein Haus am Marktplatz. Gebäude in dieser Wohnlage galten zu diesem Zeitraum als die teuersten und angesehensten der Stadt. Er musste für die Vermittlung 16 Heller Maklergebühr bezahlen.[7]
Handwerker und Bedienstete erhielten oftmals zu ihrem Lohn in Münzform auch eine Bezahlung in Naturalien. So ist für den Zeitraum um 1390 in Köln als Tageslohn für einen Handwerksmeister ein Lohn von 8 Schilling (= 96 Pfennige), welcher aber mit Kost nur 48 Pfennige beträgt. Ebenso erhält ein Geselle am Tag 5 Schilling (= 60 Pfennige), mit Verpflegung aber nur 28 Pfennige. Ein Lehrling dagegen verdiente 3 Schilling (=36 Pfennige) und erhielt keinen Anteil an Kost.[8]
Zum Vergleich der Höhe der Löhne mit Gütern des täglichen Lebens ist für den gleichen Zeitraum folgendes bekannt:
1 Pfund Reis oder Honig, aber auch 1 Pfund Hammelfleisch erhielt man zu einem Preis von 32 Pfennigen. Im Vergleich dazu war 1 Pfund Rindfleisch für 1 Schilling zu haben. 1 Karpfen dagegen kostete 8 Schillinge, ebenso 87 Eier. 1 Pfund Pfeffer hatte einen Gegenwert von 24 Schillingen, 1 Pfund Safran sogar den von 5 Gulden. Zur Bekleidung konnte man 1 Paar Schuhe oder einen Kittel zu einem Preis von 8 Schillinge erwerben. 1 Paar Hosen kostete 28 Schillinge.[8] Aus der Toskana ist aus dem Jahr 1355 vom Goldschmied Bonaccorso de Vanni bekannt, dass er neben juwelenbesetzten Kruzifixen und einem Bildnis der Jungfrau Maria mit Krone auch eine juwelenbesetzte Bischofsmütze anbot, welche einen Preis von 280 Florins hatte. Das stellte zehn Jahreslöhne für einen Weber dar und immerhin noch eineinhalb Jahresgehälter für einenRitter.[9]

Q
uelle: Wikipedia

Mit seiner Ausrichtung auf die Praktiken des Handels stellt der Band die gegenwärtige Neuorientierung der Handelsgeschichte dar. In Fallstudien befassen sich Autorinnen und Autoren aus mehreren Ländern mit konkreten Erscheinungsformen sozialer Interaktionen beim Gütertransfer, der Kreditgewährung, dem Zahlungsverkehr und der Informationsübermittlung. Dabei untersuchen sie unterschiedliche Ebenen des kommerziellen Austauschs vom Detailhandel bis zum interkontinentalen Handel. Sie thematisieren spezifische Handelszweige, individuelle Akteure, den Umgang mit Informationen sowie das Verhältnis der Geschlechter.

http://www.amazon.de/gp/product/3867642036?redirect=true&ref_=ya_st_dp_summary

Die Hanse
Hildesheim und die Hanse
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Gewerbe in Hildesheim bis zum 15.Jahrhundert.
Dissertatron zur Erlangung der Doktorwürde
der Hohen Philosophischen Fakultät
der Universität Tübingen vorgelegt von
Walther Tuckermann aus Köln a. Rh.
Berlin 1906.
Gewerbe Hildesheim bis 15JH.pdf
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Wärung und Gewichte
Mit Währungs-, Maß-, Gewichts- und anderen Einheiten war es im Mittelalter alles andere als ganz so einfach
und übersichtlich, so dass die Rechenmeister der damaligen Zeit hier ein weites Betätigungsfeld vorfanden. Auf dem vorliegenden Beitrag sind die im Jahre 1504 gängigen Einheiten zusammengestellt und in dessen Folge werden weitere Details erklärt und erläutert.
währung und gewichte.pdf
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Seehandel und Kaufleute im alten Europa
Die Geschichte des Handelsrechts wieder im Blickfeld der Forscher
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Krämer und Kaufherren

Der Händler gehört zu den ältesten Berufen der Menschheit, und wir begegnen ihm am Beginn der Zivilisation im Alten Orient ebenso wie etwa in der germanischen Frühgeschichte. Ob Salz oder Eisen, Bernstein oder Gewürze, zu tauschen oder zu handeln gab es immer und überall von dem Zeitpunkt an, da menschliche Bedürfnisse über die primitive Befriedigung des Lebensnotwendigen hinausgingen.

Und der englische Begriff von den »Merchant Adventurers«, den wagenden Kaufleuten, der für die Kaufmannsgesellschaften des späten Mittelalters geprägt wurde, gilt eigentlich noch viel mehr für jene frühen Händler, die einsam und wagemutig von Hof zu Hof, von Siedlung zu Siedlung, durch Wälder, Sümpfe und Wildnis zogen und im wahrsten Sinne zu Kulturträgern wurden. Mögen sich Wirtschaftshistoriker noch über Umfang und Ausdehnung des frühen Handels streiten, so sind sie sich doch einig, dass diese Männer zu Ahnherren eines Berufsstandes wurden, der wie kein anderer Kultur und Politik der deutschen Städte des Mittelalters bestimmte und beeinflusste: der Kaufmann, früher Vertreter des kapitalistischen Unternehmers.

Doch wäre es falsch, einfach von dem Kaufmann oder dem Händler zu sprechen; denn kein Beruf weist auch eine so starke Differenzierung und so große soziale Unterschiede auf wie der des Kaufmanns. Das Wort vom »königlichen Kaufmann« ist ebenso allgemein bekannt wie die Namen der Fugger, der Welser oder der Tucher, die nicht nur die Geschicke ihrer Heimatstädte lenkend mitbestimmten, sondern zeitweilig auch mithilfe ihrer Vermögen in die Reichspolitik eingriffen.

Wer aber weiß schon, was ein Tratschler ist, ein Essigmann oder ein Heringer? Und doch gehören auch solche kleinen Krämer, die von Ort zu Ort zogen und mühsam ihre Waren verhökerten, zu der großen Gruppe der Händler und Kaufleute.

»Schwurbrüderschaft« und Rechtsprechung - Die Gilde der Fernkaufleute
Seit dem Aufblühen der Städte müssen wir unterscheiden zwischen Fernkaufleuten und ortsansässigen Kaufleuten oder, genauer gesagt, den Händlern. Für die Entstehung und Entwicklung der Städte waren gerade die Fernkaufleute von eminenter Bedeutung, hing doch die Gründung einer Stadt oft eng mit der Entwicklung des sogenannten Wik, der Kaufmannssiedlung nahe einer Burg, zusammen. Erst Burg und Wik, ergaben gemeinsam ummauert die Stadt.

Solche Fernkaufleute waren oft wochen- und monatelang unterwegs. Wir können den Radius ihrer Unternehmungen in jenen unruhigen Zeiten nur bewundern, dürfen dabei aber nicht übersehen, dass die räumlichen Grenzen zwar sehr weit gespannt, die Umsatzmengen des einzelnen Kaufmanns aber verhältnismäßig gering und auf den Umfang seines mitgeführten Gepäcks beschränkt waren. Man kann nur staunen, wie gering oft der Besitz war, für den die Fernkaufleute immer und immer wieder ihr Leben wagen mussten.

Da es bei den großen Entfernungen und den vielen drohenden Gefahren nicht ratsam gewesen wäre, allein zu reisen, schlossen sich die Kaufleute schon früh in Gruppen zusammen und banden sich vor Antritt der Fahrt durch heilige Eide zu gegenseitiger Unterstützung. Diese »Schwurbrüderschaft« löste sich nach Rückkehr in die Heimat keineswegs auf, sondern blieb das einigende Band, wenn die Männer den Winter im Wik einer Stadt verbrachten. Seit dem 10. Jahrhundert gingen aus solchen Schwurbrüderschaften dann die ersten Gilden hervor. Sie hielten in der städtischen Gemeinschaft ebenso zusammen wie draußen, und der Feind eines Gildenbruders war der Feind aller anderen. Auch eine eigene Gerichtsbarkeit übte die Gilde über ihre Mitglieder aus. Wenn dabei auch in erster Linie über Beleidigungen und Körperverletzungen verhandelt wurde, so entwickelte sich daraus doch jenes Kaufmannsrecht, das dann später für das Stadtrecht von maßgebender Bedeutung wurde.

Straßen, Märkte, Messen - Domäne vor allem der Einzelhändler
Für diese Kaufleute gab es noch keine Trennung zwischen Groß- und Einzelhandel. Die Unterscheidung der beiden Zweige kam erst mit dem Aufkommen der Messen und der großen Märkte. Schon in dem kurz nach 1100 entstandenen Annolied wird beispielsweise Köln als »der in der ganzen Welt berühmte Jahrmarkt« erwähnt. Aus ihm ging dann eine der ältesten deutschen Messen hervor, die ihrerseits wieder in enger Verbindung mit den französischen Messeplätzen vor allem in der Champagne stand. Wir vermuten heute, dass die Bewohner solcher Messeorte eine deutliche Trennung zwischen Fern- und Einzelhandel anstrebten und den Verkauf der von den Fernhändlern eingeführten Güter im Ort den ansässigen kleinen Händlern, den Krämern, überließen. Diese Trennung vollzog sich in den großen Städten rascher als in kleinen.

So bestimmten fortan die Einzelhändler das Wirtschaftsleben in den einzelnen Orten. Auch bei ihnen setzte sich seit dem 12. Jahrhundert allmählich eine genossenschaftliche Ordnung durch, und sie schlossen sich schließlich wie die Fernkaufleute in Gilden zusammen. Die sozialen Unterschiede waren hier deutlich ausgeprägt.

Auf der niedrigsten Stufe standen jene Hausierer, die mit ihren Waren von Hof zu Hof, von Dorf zu Dorf zogen, Feste, Jahrmärkte und Turnierplätze aufsuchten, im allgemeinen jedoch seltener in die Städte kamen. Die Grenzen zum »Fahrenden Volk« waren dabei fließend, suchten doch manche von ihnen ihre Waren mit allerhand Gaukeleien an den Mann zu bringen. Doch selbst da gab es noch soziale Unterschiede; denn wir hören vereinzelt von wohlhabenden Hausierern, die vor allem reiche Adelige mit Luxusgütern versorgten.

Die zweite, schon eine soziale Stufe höher stehende Gruppe bildeten die Höker, auch Merzler, Pfragner, Tratschler, Gängler, Hücker, Trödler, Hadeler, Hegekramer, Winkerer, Kremper, Kretschmer, Part- oder Wannenkrämer genannt. Sie verkauften gewöhnlich Nahrungsmittel in kleinen Mengen auf dem Markt oder am Straßenrand in primitiven Ständen, in steter Konkurrenz zu den Bauern, die vom Land hereinkamen und ihre Erzeugnisse loszuwerden suchten. Ihre Kundschaft bildeten dementsprechend die Armen der Stadt, die jeden Pfennig umdrehten, bevor sie ihn ausgaben.

Handwerk und städtisches Leben - Der heilige Joseph, versetzt an eine spätmittelalterliche Handwerksbank. - Bild Copyright: Merode-Altar New York, The Metropolitan Museum of Art. The Cloisters Collection.Den Gegensatz zu diesen »armen Krämern« bildeten die »reichen Krämer«, die ihrerseits wieder das Bindeglied zu den Fernkaufleuten darstellten. Sie schlossen sich in den Gilden zusammen, und oft genug durften in einer Stadt nur ihre Mitglieder den Kleinhandel ausüben. Auch hier war der soziale Bogen weit gespannt, und während die Ärmeren unter ihnen eher den Hökern glichen, näherten sich die Kammer- und Lagerherren in ihrem Ansehen schon den Fernkaufleuten. Auffallend war bei ihnen die starke Differenzierung und Spezialisierung; denn solche Krämer sind keineswegs mit den alten Kolonialwaren- oder Tante-Emma-Läden vergleichbar, die hunderterlei verschiedene Artikel führen, sondern die meisten von ihnen spezialisierten sich. Man kann heute kaum glauben, welche Unterscheidungen es dabei gab. Hier eine Auswahl: Butterleute, Eiermann, Eisenkrämer, Essigmann, Federkrämer, Fischmenger, Fleischmenger, Ganser, Glaskrämer, Häutekäufer, Heringer, Käskrämer, Kornmann, Kräutermann, Lakenkrämer, Ledermann, Mehlmann, Obster, Pfeifenkrämer, Salzer, Seidenkrämer, Stahlmenger, Tändler, Tuchgewänder, Vogler, Waidhändler und Weinkäufer.

Nicht genug mit solchen Unterscheidungen, wie sie uns die - nicht einmal vollständige - Aufzählung gibt, waren häufig die Krämer auch noch an ganz bestimmte Plätze in der Stadt gebunden. So gab es an größeren Orten neben dem Hauptmarkt eigene kleine Spezialmärkte, deren Namen sich heute noch gelegentlich in den Straßenbezeichnungen erhalten haben. Aus Breslau schreibt beispielsweise ein zeitgenössischer Chronist: »Da ist der Salzmarkt, der Neumarkt und der große Ring. Von hier kommt man auf eine breite große Gasse, der Hühnermarkt genannt, wo Milch, Obst und Gemüse, Wildbret und Geflügel verkauft werden. Alle Marktwaren haben ihre festen Plätze, und diese sind nach den Waren benannt, die dort verkauft werden, wie der Kornmarkt, der Honig- und der Wachsmarkt.«

Kaufhäuser, Gewandhäuser, Kornhäuser und Messehallen
Größere Städte errichteten unmittelbar am Hauptmarkt oder zumindest in dessen Nähe größere Kaufhäuser, die bestimmten Gilden vorbehalten waren, so besonders den Tuchhändlern, doch kennen wir auch Schuh-, Brot-, Schlacht- oder Kornhäuser, wie etwa das um 1500 in Nürnberg erbaute (und heute wieder aufgebaute) Kornhaus. Häufig wurden dort im unteren Stockwerk die billigeren, im oberen aber die kostbaren Waren feilgeboten. Ähnlich wie heute in den Messehallen, teilte man dabei die Stockwerke in kleine Kammern oder Verschläge auf. So hatten im oberen Stock des Lübecker Gewandhauses 65 Gewandschneider ihre Plätze. Ein besonders schönes Beispiel für diese Gewandhausbauten besitzt Braunschweig.

Die soziale Rolle der Krämer - Zusammenspiel von Stadt und Gilde
Wenn hier für die innerstädtischen Kaufleute der Begriff »Krämer« gebraucht wird, so ist das keineswegs im Sinne der heutigen Bedeutungsverschlechterung abwertend gemeint, sondern gilt in erster Linie für die Betriebsgröße.

Diese so regsamen Krämerei-Geschäfte wurden durchweg als Familienbetriebe geführt, in denen der Geschäftsinhaber mit einzelnen Familienmitgliedern und höchstens ein bis zwei Gehilfen arbeitete. Wer sich dagegen wirtschaftlich ausbreiten wollte, musste versuchen, in den lukrativeren Fernhandel umzusteigen. Trotzdem sammelten gerade die »reichen Krämer« oft genug ein für mittelalterliche Verhältnisse recht beträchtliches Vermögen an. So standen beispielsweise 1511 die einundvierzig Krämer von Erfurt mit ihrem Durchschnittsvermögen nach den Junkern und den Waidhändlern (Waid = Färbepflanze) an dritter Stelle der Steuerpflichtigen in der Stadt.

Entsprechend hoch ist auch die Bedeutung der Krämergilden im Gefüge der Stadtgemeinde einzuschätzen. Während in einer Reihe von Städten die verschiedenen Krämer in einer gemeinsamen Gilde zusammengeschlossen waren, gab es anderenorts auch differenzierte Sondergilden oder Zusammenschlüsse nach Größe und Bedeutung der Händler, so beispielsweise in Breslau, wo die großen Betriebe in den »Kaufleuten« zusammengeschlossen waren, denen die »reichen Krämer«, die »Heringer« und »Partkrämer« als weitere Gilden folgten.

Zwischen den Gilden und der jeweiligen Stadtgemeinde bestanden klar umgrenzte Absprachen, in denen Gemeinwohl und Interessen des einzelnen ausgewogen berücksichtigt waren. Die Gilde sorgte für die Bedarfsdeckung und Befriedigung der Gemeinde, und damit sie ihre wichtige Aufgabe erfüllen konnte, gewährte diese ihrerseits den Krämern Schutz und Genossenschaftsrecht und verhalf ihnen damit zur Existenzsicherung; denn in den Gildeordnungen war selbstverständlich in ähnlicher Weise wie in den Zunftordnungen der Handwerker der Gildezwang ausdrücklich verankert, d. h., dass in einer Stadt nur Handel treiben durfte, wer der Gilde angehörte. Dementsprechend schloss die Aufnahme entsprechende Verpflichtungen ein. Vor allem musste sich das Mitglied der genossenschaftlichen Kontrolle und Überwachung hinsichtlich der Warenqualität, Maß- und Gewichtstreue usw. beugen. Damit hatte der Rat wiederum eine indirekte Überwachungsmöglichkeit, und im Falle von Pflichtverletzungen und Nachlässigkeiten konnte er die Gilde zeitweilig oder für immer sperren und sogar gildenfremde Konkurrenz zulassen.

Warenkontrolle und Lebensmittelüberwachung
Nicht genug damit, suchten die städtischen Behörden darüber hinaus noch durch Satzungen auf den Warenverkauf und vor allem auf die Preisbildung einzuwirken. Städtische Beamte kontrollierten regelmäßig das Warenangebot an den Marktständen. In München gab es um 1300 schon sieben Salzmesser. Sie und ihre Kollegen maßen Salz, Obst, Getreide usw., sogar Weinmessern begegnen wir, die darüber wachten, dass der von den Käufern geforderte Preis auch im rechten Verhältnis zur Qualität des Weinausschanks stand.

Beachtenswert sind bereits im 13. Jahrhundert manche gesundheitspolizeilichen Vorschriften. So heißt es im Dortmunder Stadtrecht: »Wenn einer unter unseren Bürgern auf dem Markt frisches Fleisch oder frischen Fisch kaufen will, soll er zum Verkäufer sagen: ›Wende mir jene Fisch- oder Fleischstücke um!‹ Unter keinen Umständen aber darf er sie mit eigener Hand berühren. Berührt er sie, so muss er ohne Umstände vier Schilling Strafe zahlen.« Oder in Erfurt: »Das Wildbret, das man zu Markte bringt, soll frisch sein. Großes Wildbret und Hasen darf man nur zwei Tage lang feilhalten; Rebhühner und Vögel nur einen Tag. Wer lebendige Fische herführt, soll sie auf dem Markt an einem besonderen Ort verkaufen und nur einen Tag feilbieten; tut er es länger, soll man den Fischen ein Zeichen anlegen.«

Gefahren und Belastungen des Fernhandels: Raub, Achsenbruch und Schutzzölle
Die Aristokratie unter den Kaufleuten bildeten die Fern- und Großhändler, die ja, wie eingangs geschildert, auf eine jahrhundertealte Tradition zurückblicken konnten und die auch in den Städten ihre Unternehmen durch Generationen aufgebaut und gefestigt hatten. So gefährlich wie in der Frühzeit, als die Fernkaufleute noch selbst von Land zu Land ziehen mussten, war es für den einzelnen selbst allerdings nicht mehr: er konnte von seiner Schreibstube aus die Geschäfte lenken. Das wirtschaftliche Risiko hatte sich allerdings kaum verringert. Wegen des schlechten Zustands der Straßen, wegen der zahlreichen Wegelagerer und Räuber oder - bei Seetransport - durch Schiffbruch verloren die Kaufleute oft genug ihre Waren. Den Straßen fehlte noch jede feste Decke, und vor allem im Frühjahr wurden sie gewöhnlich in einen Morast verwandelt, in dem die Fuhrwerke leicht steckenblieben oder umkippten, sodass die Waren dann in der Nässe verdarben. Wegelagerer aus allen Schichten, herumvagabundierendes Volk, gelegentlich auch die Bauern eines Dorfes und nicht zuletzt verarmte Adelige und sogenannte »Raubritter« betrachteten die Kaufleute, die »Pfeffersäcke«, wie man sie verächtlich nannte, als Freiwild und ihre Warenzüge als legitime Beute. Brutalitäten gegenüber den bei solchen Überfällen in Gefangenschaft geratenen unglücklichen Opfern waren dabei geradezu selbstverständlich, und der Neid auf den Reichtum mancher Handelsherren verschaffte Straßenräubern wie Raubrittern in breiten Bevölkerungskreisen noch die entsprechende wohlwollende Popularität - und sogar gelegentlich heimliche Unterstützung.

Zwar suchten die Landesherren einen gewissen Schutz zu gewährleisten, entwickelten dafür aber ein nicht minder wirksames System ›legaler Beraubung‹, indem sie Grenz-, Schutz- und Passzölle erhoben, zu denen noch Ufer-, Zug-, Tor-, Brücken-, Wagen- und Lastengelder kamen. Suchte ein Kaufmann Zollstellen durch Umweg zu meiden und wurde er dabei ertappt, drohte ihm der Verlust der Ware und des Fuhrwerks durch Beschlagnahme. Die gleiche Strafe galt auch beim sogenannten »Straßenzwang«, der eine bestimmte Route vorschrieb. Auch hier gab es oft feste Vorschriften, besonders wenn eine Straße neu angelegt worden war und sich erst durch entsprechende Mautgebühr rentieren sollte. An derartigen Unternehmen beteiligten sich oft auch die Städte, die eigene Wächter besoldeten und manchmal sogar Ritter in ihre Dienste nahmen, die dann - gegen entsprechende Bezahlung versteht sich - von ihrer Burg aus den Straßenverkehr überwachten und sicherten.

Eine besondere Belastung für die Kaufleute bildete das sogenannte »Stapelrecht«. Danach hatten alle Wagenzüge, die das Gebiet eines bestimmten Marktes berührten, dort auszuladen. Die jeweiligen Güter mussten auf die öffentliche Waage gebracht, am Markt gestapelt, verkauft oder im Ortsbereich auf Fahrzeugen weitertransportiert werden, die den Bürgern gehörten. So erhielten z. B. die Münchner 1322 von König Ludwig dem Baier das Salzstapelrecht. Danach durfte alles zwischen Landshut und den Alpen westwärts geführte Salz nur in München die Isar überschreiten und musste in der Stadt gestapelt und zum Verkauf niedergelegt werden, wofür die Münchner einen entsprechenden Zoll kassierten.

Frühe Formen des Kapitalismus: Handelsgesellschaften bringen Kapital und Umsatz
Wie sich im frühen Mittelalter die Fernkaufleute zu gemeinsamem Schutz bei ihren Reisen in Gruppen zusammenschlossen, so suchten sie nun das wirtschaftliche Risiko aufzufangen, indem sie es verteilten und zu diesem Zweck die sogenannten »Gesellschaften« bildeten. An Interessenten für die einzelnen Unternehmen mangelte es gewöhnlich nicht. Da bei solchen »Gesellschaften« auch kleinste Beträge eingesetzt werden konnten und der Gewinn oft ein Mehrfaches der Einlagen betrug, wurde den Kaufleuten seit dem Spätmittelalter das Geld von allen Seiten angeboten. Der reiche Adelige beteiligte sich ebenso wie der Handwerker oder der Bauer, und selbst das Gesinde legte seine Sparpfennige in den Gelegenheitsgesellschaften an. Selbstverständlich musste jeder das Risiko mittragen, aber wie bei der Lotterie lockten die Gewinne, und selbst Klöster und Kirchengemeinden konnten sich, wie wir hören, der Versuchung nicht entziehen.

Im Unterschied zu solchen Gelegenheitsgesellschaften, die mit dem Ansehen des unternehmerischen Großkaufmanns standen und fielen und die sich nach jeder Aktion auflösten und dann neu begründet werden mussten, gab es noch die eigentlichen »Handelsgesellschaften«, die auf Dauer und nur von Kaufleuten geschlossen wurden. Sie hielten das eingebrachte Kapital langfristig streng zusammen und versuchten, es nach Möglichkeit in verschiedenen Unternehmen zu vermehren.

Der Prediger Johann Geiler von Kaysersberg (1445-1510) berichtet über ihr System: »In der großen Gesellschaft, da sind die Kaufleute miteinander verpflichtet, da legt einer fünfhundert Gulden, einer zweihundert ein. Sie haben ihr Gewerb zu Venedig, zu Lugdun [Lyon], zu Antdorf [Antwerpen] und überall ihre Verwalter. Wenn einer gewinnt oder verliert, so gewinnen oder verlieren alle zusammen, und wenn sie zusammenkommen, so sind etwa 2000 Gulden gewonnen, und ein jeder weiß bei der Rechnung, was ihm gehört nach dem Anteil, den er eingelegt hat.«

Die Zahl der Mitglieder schwankte zwischen zwei und achtzig, gelegentlich wurden auch Angestellte oder Diener eines Kaufmanns aufgenommen, ein durchaus modern anmutendes Prinzip, wonach die Mitarbeiter durch Gewinnbeteiligung enger an ein Unternehmen gekettet werden sollten. Modern war auch die Auffassung, dass sich ein Kaufmann ohne Weiteres an mehreren Gesellschaften beteiligen konnte. Wir hören dabei von unterschiedlichen Gewinnen, die zwischen 7 und 40 Prozent lagen.

Die wohl bekannteste Handelsgesellschaft in Süddeutschland war die »Große Ravensburger Gesellschaft«, die von 1380 bis 1530 in dem kleinen Reichsstädtchen nördlich des Bodensees bestand. Ihre Aktionäre achteten darauf, dass Kapital und Arbeitsleistung möglichst eng verbunden blieben. In erster Linie vertrieben sie oberschwäbische Leinwand, und man kann nur staunen, wie sie ihre Verbindungen zu den bedeutendsten Städten Europas knüpften. Das Handelskapital belief sich Ende des 15. Jahrhunderts auf etwa 130000 Gulden, was umgerechnet etwa einer Million Goldmark entsprach!

Text der Zeit
Bericht der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft 1477 nach Andreas Sattler

Liebe Freunde, [...] euch verlangt mit Recht zu wissen, wie unsere Abschlussrechnung ausgefallen ist. Was uns Gott zu Gewinn gegeben hat, waren 21 Prozent [in drei Jahren], wofür wir dem Allmächtigen Lob und Dank sagen. Ihr werdet das wohl verstehen, denn der Lauf der Welt ist wirklich allenthalben wild und schwer und ungetreu. Der Kaufleute sind mehr als rote Hunde, alle Winkel sind voll, und der Gewinn ist schmal. Wenn man das bedenkt, liebe Freunde, so müssen wir zufrieden sein und hoffen, dass unsere Sachen fortan besser werden, ihr selbst werdet dazu helfen, wie wir zu euch allen das Zutrauen haben. So hoffen wir mit Gottes Hilfe, unsere Sache ebensowohl zu Nutzen zu schieben als andere Leute, denn wir haben einen guten Kredit und sind bis jetzt immer redlich mit unseren Waren umgegangen. Das lasst uns weiterhin so halten, so kann es uns nicht anders denn gut gehen. Ebenso haben wir für den Kauf wie für den Verkauf Kunden, um die mancher viel gäbe. Solche Stege und Wege in Deutsch- und Welschland zu haben, ist kein geringes Kleinod, dazu ein löblich ehrbar Wesen; von keiner Gesellschaft in der Welt hat man je gehört, dass sie so lange und so redlich bestanden habe, schier bei hundert Jahren. Große Almosen und Zierden zur Ehre Gottes hat die Gesellschaft gestiftet und stiftet sie noch alle Tage, und so möge es auch bleiben. Auch sind in unser Land durch die Gesellschaft großes Gut und Reichtum gekommen. Sollte dies aufhören, das wäre, meine ich, wider Gott, Schande und Schaden, es ist so mancher dadurch allenthalben erfreut worden. Darum liebe Freunde, jung und alt, lasst uns das ehrsame Wesen hochhalten, ein jeglicher in seinem Stand, wie es unsere Vorfahren getan haben, dann geht es uns gewiss wohl, wenn wir nur selber wollen.
Aus: Große Rekordanz (d. h. offener Brief) für Genf, Avignon, Barcelona, Saragossa, Valencia und Lyon, verfasst von Andreas Sattler. Nach A. Schulte (Hrsg): Geschichte der großen Ravensburger Handelsgesellschaft, Bd. III, S. 52 f.

Die größte Handelsgesellschaft Norddeutschlands war die »Deutsche Hanse«, in der gleichermaßen Städte und einzelne Kaufleute Mitglieder werden konnten. Ihre besondere Struktur und ihr wirtschaftliches und politisches Wirken haben wir schon ausführlich an anderer Stelle kennengelernt.

Familienunternehmen - Einfluss in der ganzen Welt
Neben solchen Handelsgesellschaften kamen seit dem 15. Jahrhundert auch die Familiengesellschaften auf, an denen sich nur Mitglieder einer Familie beteiligen durften. Allgemein bekannt sind die Fugger und Welser in Augsburg, die Imhof und Tucher in Nürnberg, aber auch die Blum, Guldenschaf und Schott in Frankfurt gehörten zu ihnen. Verschiedentlich hören wir von gewagten Spekulationen und kühnen geschäftlichen Unternehmen einzelner Kaufleute wie auch der Handelsgesellschaften. Der bekannte Griff der Welser zu Beginn des 16. Jahrhunderts hinüber in die Neue Welt nach Venezuela ist nur ein augenfälliges Beispiel dafür.

Zentren des Handels und Geldverkehrs - Die großen Messeorte
Was für die Krämer die Märkte der Heimatstadt, waren für die Großkaufleute die Messen, die Großmärkte, die an besonders privilegierten Orten zu bestimmten Zeitpunkten abgehalten wurden. Hier handelten die Kaufleute nicht nur mit den Einzelkunden, sondern schlossen auch untereinander meist größere Geschäfte ab. Zu den bedeutendsten Messen des Auslandes zählten die in der Champagne, in Brügge, Antwerpen, Lyon und Genf. In Deutschland wurde seit dem 13. Jahrhundert Frankfurt der wichtigste Messeort. Hier fand regelmäßig eine Herbstmesse statt, die Ludwig der Baier durch eine Frühjahrsmesse erweiterte. Später kamen Köln und Leipzig dazu, und gerade letzteres verstand es, seine Stellung als Messestadt sehr geschickt und rigoros auszubauen. So erlangten die Leipziger um 1500 zwei kaiserliche Privilegien, die allen Städten und Dörfern im Umkreis von 120 Kilometern das Stapelrecht verboten!

Die großen Märkte und Messen wurden selbstverständlich auch zu Zentren des Geldverkehrs, da viele Kaufleute anstelle von Bargeld lieber »Messwechsel« zogen und einlösten. Dass solche Geschäfte allerdings nicht überall Verständnis fanden, belegt ein Ausspruch Martin Luthers: »Der Wucher sitzt zu Leipzig, Augsburg, Frankfurt und dergleichen Städten und handelt mit Geldsummen. Auf jedem Leipziger Markt nimmt man 30 auf 100 [...]«

Auf dem Weg zum kapitalistischen Großunternehmer
Bei den großen Unternehmen wuchs auch das soziale Prestige der Handelsherren, die man wohl richtiger so und nicht mehr als Kaufleute bezeichnen sollte. Das hatte schon Kaiser Karl IV. deutlich erkannt, als er den Lübecker Räten ausdrücklich versicherte, dass sie »Herren« seien. Gewiss gab es auch unter ihnen eine soziale Rangfolge, die aber dort begann, wo sie bei anderen aufhörte und hinführte in die Höhen des frühkapitalistischen Wirtschaftssystems. Das zeigte sich schon bei der Zugehörigkeit zu ihren Gilden. Hier fehlte der Beitrittszwang. Die Interessen der Großkaufleute lagen schwergewichtig im Ausland, sie waren nicht mehr angewiesen auf die städtische Gemeinschaft mit ihren Vorzügen, aber auch ihren meist einengenden Nachteilen. Während es den Krämergilden nur um die wirtschaftliche Sicherung im Rahmen des städtischen Gemeinwesens ging, sorgten sich die Großhandelsgilden um die auswärtigen Probleme wie die Sicherung der Handelswege, Bildung von Geleitzügen zu Land und zu Wasser, die Bereitstellung günstiger Einkaufs- und Stapelplätze sowie die entsprechenden Herbergen im Ausland und nicht zuletzt um Kontakte mit Königen und Fürsten, um Privilegien zu gewinnen und die bestehenden Rechte zu sichern und zu verteidigen.

Selbstverständlich suchten solche Gilden auch Einfluss in den heimischen Städten und auf die Stadtregimenter. Deshalb wurden nicht zuletzt die Großkaufleute zu treibenden Kräften bei der Entwicklung der Stadtverfassungen und bei den Kämpfen um die bürgerliche Unabhängigkeit. Oft genug suchten sie mit den patrizischen Familien zu wetteifern, fanden gelegentlich auch Eingang in das städtische Patriziat.

Patrizische PrachtentfaltungPatrizische Prachtentfaltung. Die Bedeutung und Wohlhabenheit der patrizischen Kaufleute führt in den Städten zur Herausbildung einer dünnen Oberschicht, deren Lebensstil an höfischen Formen orientiert ist.

Wo es an politischem Einfluss mangelte, ersetzten sie diesen durch aufwendige Lebensführung. Ihre Häuser zählten zu den schönsten in der Stadt, und häufig genug stößt man in den Schriften bekannter Prediger des Spätmittelalters und der Renaissance auf kritische Worte gegen den Luxus der reichen Kaufherren. »Sie fahren als Narren hinweg und kommen als noch viel größere Narren herwieder in ihren seltsamen und närrischen Kleidern«, wetterte der schon erwähnte Johann Geiler von Kaysersberg. Selbst Könige wurden gelegentlich bemüht, um dem Geltungsstreben mancher Kaufherren nachzuhelfen. So erlaubte 1492 König Maximilian I. ausdrücklich zwei Nürnberger Kaufleuten, samtene Kleider zu tragen.

Der entscheidende Wandel in der Entwicklung des Großkaufmanns setzte im 14. Jahrhundert ein. Die alten genossenschaftlichen Bindungen bröckelten ab und auseinander. Deutlich lösten sich einzelne aus der bisher bestehenden Ordnung. Zu ihnen gehörten die Warendorps und Wittenborgs aus Lübeck, die von Flandern und England bis nach Russland das Erbe der Hanse antraten. Bei den Wittenborgs wird das Handelsvermögen bereits 1357 auf die für damalige Verhältnisse horrende Summe von umgerechnet etwa einer Million Mark geschätzt! In Rostock waren es die Tölner, in Hamburg schwang sich Vicko van Geldersen zu einem der bedeutendsten norddeutschen Kaufherren auf, in Regensburg trieben die Runtingers einen ansehnlichen Großhandel zwischen Süddeutschland und Holland, die Nürnberger Familien Imhof und Tucher wurden bereits mehrfach erwähnt. Sie alle wurden schließlich übertroffen von der Familie Fugger, die mit dem 1459 geborenen Jakob Fugger, dem Reichen, den Gipfel wirtschaftlicher Macht und ein dementsprechendes Ansehen erreichten. Aus dem königlichen Kaufmann war der Großunternehmer im modernen Sinn geworden.

 

Quelle: http://www.mybude.com/deutsche-geschichte/mittelalter-ende/4499-kramer-und-kaufherren-fruhe-kapitalistische-unternehmer.html

 

Der Wollhandel des Tile Töne, aus Hildesheim, im 16.Jahrhundert.

Seehandel und Kaufleute im Alten Europa: Recht ohne Juristen, Gesetze und Staat Die Geschichte des Handelsrechts wieder im Blickfeld der Forscher

Seehandel und Kaufleute im Alten Europa:
Die Welt wird kleiner. Moderner Verkehr und moderne Kommunikation lassen die Kontinente
enger zusammenrücken. Die Staaten verlieren mehr und mehr Funktionen an supranationale Organisationen und Konzerne; vielerorts ist gar die Rede vom nahen Ende der Nationalstaaten und ihrer Epoche.
In einem großen Teil Europas jedenfalls hat die Einführung des Euro vor einem guten Jahr diesen Souveränitätsverlust, der für Währungen, Zölle und vieles andere längst zuvor vollzogen worden war, auch sinnlich erfahrbar gemacht.
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Die Tuchproduktion in Florenz, während des Mittelalter

Tuche wurden im Zuge eines allgemein steigenden Wohlstands der oberen Schichten in Europa in immer besserer Qualität nachgefragt; zusätzlich entwickelte sich - ausgehend von Frankreich - wechselnde Mode, die vor allem nach neuen Farben und Mustern verlangte. Zunächst waren Wolltuche üblich; später kamen dann Seide, Brokat, Samt hinzu.


Die Wolltuchherstellung war ein durchaus komplizierter Arbeitsprozeß mit vielen einzelnen Herstellungsschritten: die Rohwolle mußte geschlagen, gekämmt, gewaschen, gezupft, geölt und gekrempelt werden, ehe sie gesponnen wurde. Das so hergestellte Garn wurde zu Rohtuch gewebt, dann genoppt, gewaschen und gewalkt, danach gespannt. Die nächsten Arbeitsgänge bis zum fertigen Tuch waren das Rauhen, Tuchscheren, Färben, Stopfen, Pressen und Falten. Der ganze Herstellungsprozeß war durchaus zeitaufwendig, zumal viele verschiedene Handwerker daran beteiligt waren. Dementsprechend dauerte es lange, bis das beim Kauf der Rohwolle eingesetzte Kapital durch den Verkauf des Produktes Erträge brachte - die Umlaufgeschwindigkeit des Kapitals dauerte mindestens mehrere Monate, konnte aber auch bis zu zwei Jahren in Anspruch nehmen. Kapital hatte sich in Oberitalien insbesondere durch die günstige Lage im Fernhandel mit dem Orient in besonderem Maße angesammelt und wurde von den Kaufleuten früh in die Wollindustrie investiert.
Quelle

Italienischen Banken sorgten im Mittelalter für eine florierende Wirtschaft.

Daneben gab es die Form des Handelswechsels, der weitergereicht werden konnte und durch eine Bank garantiert wurde, die letztlich das Bargeld auszahlte. Bankwesen setzte das Vorhandensein von Einlagen voraus; die Bankkunden errichteten Konten bei der Bank (Conti correnti), aus denen Überweisungen und Zahlungen geleistet wurden und zu denen häufig ein Kontokorrentkredit gehörte. Bereits im 11. Jahrhundert existieren solche Banken in Genua; in Florenz gelangen sie zur Blüte, so dass im 13. Jahrhundert die Familie der Bardi bereits eines der führenden Bankhäuser Europas ist. Die Bardi werden im 14. Jahrhundert durch die Bank der Medici abgelöst, die Geschäfte mit dem Papst und den europäischen Königshäusern machte.

 

Die Tätigkeit des Kaufmanns und Bankiers erforderte einen hohen Bildungsstand, der in Florenz bei den patrizischen Familien als selbstverständlich angesehen wurde. Kinder besuchten zunächst die Elementarschule, wo sie lesen und schreiben lernten. Im Alter von 10 Jahren begannen sie mit der Mathematik, die Arithmetik, Bruchrechnung, Zinsberechnung und Buchhaltung umfaßte. In der Regel mit 14 Jahren folgte eine Lehre bei einem Kaufmann oder Bankier. Es ging darum, die Geschäftsabläufe kennenzulernen, wozu auch der mehrjährige Aufenthalt in einer Auslandsniederlassung gehörte, da das Beherrschen mehrerer Fremdsprachen als unerläßlich angesehen wurde. Der künftige Kaufmann benötigte darüber hinaus auch Kenntnisse fremder Währungssysteme und der Zolltarife, Maße und Gewichte. Weiter war das Studium der Marktbedingungen erforderlich, und nicht zuletzt ging es darum, möglichst viele persönliche Bekanntschaften zu schließen, um einschätzen zu können, wie vertrauenswürdig ein potentieller Geschäftspartner war.

Trotz aller Besonnenheit, Vorsicht und Rationalität des Handelns war das Risiko der Kaufleute und Bankiers sehr hoch, sowohl aufgrund der allgemeinen Unsicherheit des Handels zu dieser Zeit wie auch der Konkurrenz, der der einzelne Kaufmann ständig ausgesetzt war. Entsprechend gab es zahlreiche Firmenzusammenbrüche, so z.B. die Bankrotte der Familien Bardi, Pitti und Peruzzi, die mit dem Verlust der Zugehörigkeit zu den führenden Familien Florenz einhergingen. Sogar das Unternehmen der Medici war beim Tode Lorenzos im Jahre 1492 fast zahlungsunfähig, zum einen, weil das politische Engagement Lorenzos dazu führte, dass er die Geschäfte vernachlässigte, zum anderen wesentlich mitverursacht durch die hohen Summen, die er für die Förderung der Künste ausgab.

Die frühkapitalistische Wirtschaft förderte individualistische Werte, da der Geschäftserfolg wesentlich von den Fähigkeiten und dem Einsatz des einzelnen abhing. Gleichzeitig bestimmten jedoch auch korporative Werte das Denken und Handeln der Florentiner Patrizier. Hierzu gehörte insbesondere die Loyalität Freunden gegenüber. Sie erforderte die gegenseitige Bereitschaft, Belastungen, Probleme und Verantwortung zu teilen und offene Worte miteinander zu reden. Ein Beispiel für solche Loyalität gibt der Briefwechsel des Kaufmanns Francesco Datini aus Prato mit seinem Florentiner Notar, in dem nicht nur geschäftliche Entscheidungen, sondern auch familiäre Situationen und Verhaltensrichtlinien offen diskutiert und beraten werden. Freundschaften waren auch zur Absicherung der Stellung ungemein wichtig; sie schränkten die Handlungsfreiheit des einzelnen durchaus ein, denn nicht nur der, der die Freundschaft benötigte, wurde durch sie verpflichtet, sondern auch der, der sie gab (Patron - Klientelverhältnis). Sie einzuhalten, war eine Frage der Ehre. Ehre bedeutete nicht nur, sich nach den Maßstäben der eigenen Schicht zu verhalten, sondern auch, von dem Gefühl für die eigene Würde und Verantwortung durchdrungen zu sein. Daraus folgte eine permanente Selbstbeobachtung: Selbstdisziplin, Reflexion und Korrektur des eigenen Verhaltens gehörte zu den Tugenden, die von einem Angehörigen der Kaufmanns- und Bankiersschicht erwartet werden durften. Ein korporativer Wert war auch die Identifikation mit der Stadt und der Einsatz für sie, was bedeutete, dass der Florentiner Patrizier selbstverständlich für politische Ämter in Florenz zur Verfügung stand und sich bemühte, durch Förderung der Künste aktiv am kulturellen Leben der Stadt teilzunehmen; im Jahre 1434 gaben die Medici 600 000 Florin für öffentliche Zwecke aus. Das ästhetische Bewusstsein dieser Schicht zeigt sich sowohl in der Förderung der Geisteswissenschaften und Kunst wie auch in der Tatsache, dass über die öffentliche Vergabe von Aufträgen häufig durch Kommissionen aus Angehörigen der Arti maiori entschieden wurde, so z.B. bei dem Auftrag für die Türen des Baptisteriums oder für die Errichtung der Domkuppel. Gleiches gilt für die Stadtplanung in Florenz, die von einer Kommission geleitet wurde und die erste Stadtplanungsbehörde in Europa darstellt. Sie hatte das klare Ziel, die wirtschaftliche und ästhetische Kriterien miteinander zu vereinbaren und die wirtschaftliche Bedeutung von Florenz auch durch die Schönheit zum Ausdruck zu bringen.

Quelle

Der mittelalterliche Wechsel als Zahlungsmittel

Der hohe Kapitaleinsatz für die Tuchherstellung, der durch die hohe Nachfrage und die entstehende Massenproduktion von Tuchen noch gesteigert wurde, bedrohte etliche Handwerker in ihrer Selbständigkeit, so dass gerade in diesem Bereich sich neue Wirtschaftsformen entwickelten: Aus dem Kaufmann, der mit der Rohwolle handelte, wurde daher schnell der Tuchproduzent, der als Verleger den Handwerkern Material, Werkzeuge (Webstühle) und/oder Geld vorlegte und sie dadurch von sich abhängig machte. Er organisierte die höchst arbeitsteilige Produktion und förderte durch Aufträge an besonders qualifizierte Handwerker die Spezialisierung auf einzelne Stufen des Produktionsprozesses. Zudem verfügte er durch seine Reisetätigkeit bzw. über seine Niederlassungen in anderen Ländern über die Informationen, die es ihm erlaubten, der Nachfrage der wechselnden Moden nachzukommen und marktgängige Ware herstellen zu lassen.

Für 1338 sind für Florenz 300 Fernhandelskaufleute und 30 000 Wollarbeiter bezeugt; die Jahresproduktion in der Tuchherstellung erreichte einen Wert von 1 200 000 Florin.

Um ihre führende Marktposition zu halten und auszubauen, bemühten sich die Florentiner Tuchhersteller um Monopole für bestimmte Rohstoffe. Besonders wichtig war dabei Alaunsalz, das bei der Textilherstellung als Reinigungsmittel, um Fett und Verunreinigungen der Rohwolle zu beseitigen, und als Beizmittel, um ein Abfärben der Stoffe zu verhindern, gebraucht wurde. Durch einen Vertrag mit dem Papst gelang es den Florentinern 1466, die Alaunvorkommen in Tolfa unter ihre Kontrolle zu bringen. Nachdem Florenz 1470 einen Krieg gegen Volterra um die dortigen Alaunvorkommen gewonnen hatte, kontrollierten von allem die in Florenz führenden Medici Abbau und Verkauf des Alauns in ganz Europa.

Viele der Tuchproduzenten waren nicht nur in diesem Gewerbe tätig, sondern die faktisch nur geringe Zunftbindung ermöglichte es den Florentinern, neben einer Tätigkeit im Handel und als Verleger auch als Bankiers tätig zu sein. Häufig schlossen sich Kaufleute und Bankiers zu zeitlich begrenzten Gesellschaften zusammen, um das verfügbare Kapital durch Einlagen von Gesellschaftern zu erhöhen. Solche Geschäfte erforderten aufgrund der Gewinnerwartung feste Zinssätze als kalkulierbare Kosten. An sich verdammte die Kirche zu dieser Zeit jedoch das Verleihen des Geldes gegen Zinsen, weil alles, was über die geliehene Summe hinaus zurückgezahlt werden mußte, als Wucher galt. Vermehrung des Geldes ohne Arbeit beruhte nach kirchlicher Lehre auf dem Ausnutzen der Zeit, die als Geschenk Gottes angesehen wurde. Geld wurde daher als unproduktiv angesehen und galt als reines Tauschmittel. Erst die durch den Franziskaner Petrus Johannes Olivi eingeführte Unterscheidung zwischen Geld und Kapital (daher die Bezeichnung Kapitalismus) schrieb dem Zins, der auf Kredite gezahlt werden mußte, die Eigenschaft zu, auf Arbeit zu beruhen. Die ethische Bewertung änderte sich zwar nicht, wurde aber durch die zur gleichen Zeit aufkommende Lehre vom Fegefeuer als Ort, an dem die Seele des Toten für Sünden büßen konnte und die Chance erhielt, in den Himmel zu kommen, relativiert. Unter anderem ist es so zu erklären, dass insbesondere die von Geldgeschäften profitierenden Patrizier hohe Summen einsetzen, um Kirchen zu verschönern und auszustatten.

   
Florenz war auch Ausgangspunkt neuer Formen der Flexibilisierung des Kapitals. Ursprünglich mußte der reisende Kaufmann das Geld für die Bezahlung der Waren bar mit sich tragen, was angesichts der Unsicherheit der Reisewege ein großes Risiko darstellte und zudem das Kapital für die Dauer der Reise band. An Ort und Stelle mußte es dann in die jeweils geltende Währung umgerechnet und gewechselt werden. Angesichts dieser Probleme „erfanden" die Kaufleute Formen des bargeldlosen Zahlens. Es gab den einfachen Wechsel, bei dem sich ein Schuldner notariell verpflichtete - es gab 1338 ca. 600 Notare in Florenz -, ein Darlehen an einem anderen Ort und/oder in einer anderen Währung zurückzuzahlen. Hierbei wurde der Zins versteckt geleistet, indem er in den Wechselkurs eingerechnet wurde.

Quelle

 

Handel und Finanzwesen im Hochmittelalter

Funktionsweise des Wechsel(im Mittelalter).
Funktionsweise des Wechsel(im Mittelalter).

„Und ist der Handel noch so klein, er bringt doch mehr als Arbeit ein.“

Da es der Handel und das Finanzwesen waren, die im 13. Jahrhundert eine Revolution erlebten, sollen sie hier im Zentrum der Betrachtung stehen.

Autor: Wolfgang Franz

Der Aufschwung

Das Hochmittelalter war die wirtschaftlich dynamischste Epoche der deutschen Geschichte. Zwischen 1050 und 1300 wurden alle Städte nördlich der Donau und östlich des Rheins gegründet. Die deutsche Siedlungsgrenze verschob sich von der Elbe an die Memel. Die meisten Dörfer in Deutschland verdanken dem hochmittelalterlichen Aufschwung ihre Existenz.

Auch die anderen Teile Europas wurden völlig umgestaltet. Der bis heute sichtbare Ausdruck dieses Aufschwunges sind die Kathedralen. Expandierende Städte, prosperierendes Bürgertum und wachsende Höfe erzeugten große Nachfrage, speziell – aber nicht nur – nach Luxuswaren. Luxuswaren konnten nur in spezialisierten Gebieten produziert oder angebaut werden. Dadurch mussten sie über große Entfernungen gehandelt werden, im Falle der Gewürze aus Indien oder Indonesien. Und das änderte Rolle und Arbeitsweise des Fernkaufmannes enorm.

Der Handel

Die bedeutendste Änderung betraf die Präsenz. War früher, seit Ende der Antike, der Kaufmann mit seiner Ware gereist, blieb er nunmehr in seiner Zentrale und entsandte Angestellte zur Begleitung seiner Ware. An häufigen Zielen blieben die Angestellten gleich vor Ort und bildeten Filialen. Mit diesen musste die Zentrale in Kontakt bleiben und das ging nur schriftlich. Und somit mussten die Kaufleute und ihre Angestellten Lesen und Schreiben lernen, als erste Nichtkleriker.

Zentren des europäischen Handels im 13. Jahrhundert waren die Messen in der Champagne. Zentral in Europa gelegen, fanden sie an sechs Orten statt, jeweils einmal im Jahr für sechs Wochen. Dadurch war in der Champagne fast immer Messe.

Flandern war für seine Tuche berühmt. Mit der aus England importierten Wolle wurden feinste Stoffe industriell gefertigt und in die ganze Welt (außer Amerika und Australien) verkauft.

Ein solcher expandierender Fernhandel benötigte Kapital, für das sich spezialisierte Kapitalgeber herausbildeten: die Banken.

Banken und Wechsel

Funktionsweise des Wechsel(im Mittelalter).
Funktionsweise des Wechsel(im Mittelalter).

Die Bedeutung der Banken war in Deutschland schon groß, überragend aber wurden sie in Norditalien. Während des ganzen Hochmittelalters gab es drei Wirtschaftsregionen in Europa: Norditalien, Flandern und den Rest. Die oberdeutsche Hochfinanz in Augsburg und Nürnberg existierte noch nicht, die Hanse steckte noch in den Anfängen. Nur Köln war in Deutschland bereits ein wichtiger Finanz- und Produktionsplatz.

Die Bedeutung Norditaliens zeigt sich daran, dass die Buchhaltung bis heute italienische Ausdrücke benutzt wie Soll, Haben, Saldo, Bargeld, Brutto, Netto, Lombardkredit usw. Dort wurde auch die bargeldlose Zahlung in Form des Wechsels erfunden. Statt Münzen und Barren konnte man nun Papier von Stadt zu Stadt schicken.

Beim Wechsel erteilt der Aussteller dem Bezogenen die Anweisung, dem Begünstigten zu einem bestimmten Zeitpunkt (z. B. in drei Monaten) einen Betrag zu zahlen. Der Bezogene akzeptiert den Wechsel mit seiner Unterschrift. Der Aussteller sendet dem Begünstigten den Wechsel, der ihn dann beim Bezogenen einlöst.

Konkret heißt das: Luigi in Siena muß Pietro in Florenz 100 Gulden zahlen. Er stellt einen Wechsel auf das Bankhaus Bardi aus, deren Filiale in Siena den Wechsel akzeptiert. Luigi sendet den Wechsel zu Pietro nach Florenz, der mit ihm zur Bardi-Filiale geht und sich die 100 Gulden auszahlen oder seinem Konto (noch so ein italienisches Wort) gutschreiben lässt. Bardi belastet Luigis Konto mit 100 Gulden. Keine Münze wurde bewegt, aber alle sind glücklich. Während seiner Umlaufzeit kann der Wechsel auch weitergegeben werden und ist somit Geld. Die Geldmenge wurde ausgeweitet und konnte mit dem Wachstum des Handels schritthalten.

Der Wechselverkehr konnte aber nur funktionieren bei ausgeglichener Zahlungsbilanz zwischen Städten, wodurch er in Nordeuropa geringere Bedeutung hatte. Unsere Geldscheine sind eigentlich auch nur Wechsel, aber mit unbegrenzter Laufzeit und mit Annahmeverpflichtung. Man schaue mal auf einen EURO-Geldschein. Die Unterschrift des EZB-Präsidenten (auch das

ein Italiener) ist immer noch aufgedruckt, eine Erinnerung an die Ursprünge.

Einige norditalienische Bankhäuser waren relativ zum Volksvermögen gewaltige Unternehmen, allen voran das bereits erwähnte Bank- und Tuchhandelshaus Bardi in Florenz, das relativ größte Unternehmen der Geschichte.

Weitere Finanztransaktionen

Zu erwähnen wäre noch der Templerorden. Ein Pilger konnte seine Reisekasse in einer Templer-Komturei am Heimatort einzahlen und erhielt dafür Papiere mit seiner Beschreibung und dem Betrag. Die Papiere konnte er bei den Templern im Heiligen Land wieder einlösen. Raub war sinnlos, weil der Einlöseberechtigte beschrieben wurde. Und so ward der Traveller-Cheque geboren.

Das Kreditgeschäft wurde lange durch das kirchliche Zinsverbot behindert. „Du sollst nicht Zins noch Wucher nehmen.“ Da es ohne Zinsen aber keine Kredite gibt, ersannen die Bankiers vielfältige Ausflüchte. Eine davon war der Rentenkauf. Hermann aus Rostock möchte von Vitzlaw 100 Taler leihen. Dann verkauft Hermann dem Vitzlaw eine Rente, monatliche Zahlungen von 5 Talern über zwei Jahre. Vitzlaw zahlt als Kaufpreis 100 Taler. Zins? Aber nein, nur Rentenkauf.

Im Mittelmeer begannen die Seeversicherungen, blühten aber erst im 14. Jahrhundert.

Funktionsweise des Wechsel(im Mittelalter).
Funktionsweise des Wechsel(im Mittelalter).

Wirtschaftliches Zentrum Deutschlands war im Hochmittelalter Köln. Deren Bankiers waren bereits 1196 so reich, dass sie Krönung und Aufstieg Kaiser Otto IV. finanzieren konnten. Berühmtester unter ihnen war Gerhard Unmaze, der als „der gute Gerhard“ sogar Held der mittelhoch-deutschen Dichtung wurde. Lübeck stieg noch auf und Bremen war schon damals ein trauriges Kaff.

Der ganze Aufschwung fand sein Ende mit dem Beginn der kleinen Eiszeit 1315. Da Anbauflächen aufgegeben wurden, sank die Wirtschaftsleistung. Bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts stagnierte die Wirtschaft in Europa. Bedeutende Bankhäuser gingen Bankrott (schon wieder ein italienischer Begriff). Die Geldmenge in England erreichte erst 1600 wieder den Stand von 1300. Aber die technischen und organisatorischen Errungenschaften des Hochmittelalters blieben – und die italienischen Begriffe.

 

Quellen:

Spufford, Peter: Handel, Macht und Reichtum, Darmstadt 2004

Hucker, Bernd-Ulrich: Otto IV., Frankfurt/Leipzig 2003

Fleischer, Georg-Michael: Ritter auf dem Meer, Darmstadt 2011

Bleck, Reinhard: Der Rostocker Liederdichter Hermann Damen, Stuttgart 1998

http://de.wikipedia.org/wiki/Templerorden

http://de.wikipedia.org/wiki/Gerhard_Unmaze

Quelle

Wappen der Familie Pepersack
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